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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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kapierte, nahm ihm die Kessel ab und stellte sie auf die Gasherde. Am Boden standen große Aluminiumkisten, die die beiden geholt hatten. Als ich an ihnen vorbeistreifte, spürte ich die Kälte darin. Sie kamen aus dem Kühlhaus, und sie waren bis oben hin mit Gemüse gefüllt. Mit Karotten, Lauch, Sellerie, Kartoffeln, allem, was man sich in einem Gemüsegarten vorstellen kann, und mit noch ein paar mir unbekannten exotischen Knollen. Das alles wartete darauf, geputzt zu werden.
    Ich sollte noch lernen, dass Chinesen dreimal am Tag warm essen und dass sie es überhaupt nicht vertragen, wenn das Essen nicht pünktlich auf dem Tisch steht. Ah Soo hatte zu jeder dieser Gelegenheiten etwas über fünfzig Chinesen und ein paar Einheimische zu versorgen. Und Chinesen lieben die Vielfalt. Daher mussten bei jeder dieser Mahlzeiten verschiedene Suppen, verschieden gefüllte Teigtaschen, verschieden zubereitete Eier, unterschiedlich zubereiteter Fisch, Geflügel, auf jeden Fall Schwein und möglichst auch noch Rind angeboten werden.
    Die schwerste und nervenaufreibendste Arbeit von allen war das Gemüseputzen. Ich bekam ein Messer und einen Schäler.
    Der schweigende Chinese, dem ich zugeteilt worden war, zog mit dem Fuß einen zweiten Hocker unter der Arbeitsfläche hervor und zeigte wortlos mit dem Finger darauf. Dann nahm er eine Karotte aus der Kiste, schälte sie in zwei Sekunden ab, griff das Messer an der Klinge und ließ die Karotte in der anderen Hand rotieren. Sie tanzte in seinen Händen auf und ab, das Ganze dauerte vielleicht noch einmal zehn Sekunden. Er reichte mir die Karotte herüber. Sie hatte sich in eine Rose verwandelt mit zarten Blütenblättern und einem markant geschnittenen Stiel. Ich glotzte den Kerl an. Er grinste, zuckte die Achseln. Sein erstes Lebenszeichen.
    Der Kollege hieß Lin Tau, und er sprach kein Wort Englisch. Aber wir verständigten uns. Er war dreimal so schnell wie ich beim Gemüseputzen, aber er trug es mir nicht nach. Durch mich war Entlastung in sein Leben getreten. Leicht auszurechnen, dass er vorher alles alleine hatte machen müssen. Wir putzten etwa neunzig Minuten lang Gemüse, dann musste das geputzte Gemüse geschnitten werden. Wie, zeigte mir Lin Tau. Da gab es Vorschriften, die von der Harmonie der Speisen her diktiert wurden. Man wird krank, wenn man falsch isst, erklärte zwischendurch Ah Soo, der mir ab und zu auf die Finger sah, und das betraf nicht bloß die Zusammensetzung des Gerichts, sondern auch die Gestalt des zu Verzehrenden. Die Gäste, meinte er grimmig, würden die Suppe stehen lassen, wenn die Karottenstücke darin falsch geschnitten wären. Alles habe sich dem Gebot der Harmonie zu fügen.
    Während ich also das Gemüse schnitt, brutzelten in den riesigen Woks, gewendet von dem flinken Lin Tau, die anzubratenden Gemüsestücke. Ah Soo bereitete in der Zwischenzeit die verschiedenen Teige für die Teigtaschen, deren Füllung wiederum von uns gehackt, gewiegt, gedünstet und gemengt wurde. Ich spürte meine Arme nicht mehr, als mir Lin Tau zeigte, wie die verschiedenen Brühen für die fünf unterschiedlichen Suppen anzusetzen waren, die es heute Abend geben sollte, und zwar um genau neunzehn Uhr. Um achtzehn Uhr dreißig bekam ich den ersten Schwächeanfall.
    Ich hockte am Boden, die Beine gegen die Wand des Schuppens hochgestellt, und trank wie ein Schiffbrüchiger aus einer Tasse heiße Gemüsebrühe mit Schweinefleischeinlage, die wunderbar schmeckte. Zehn Minuten später kam ich wieder auf die Füße, gerade rechtzeitig, um die Bambussiebe mit den Teigtaschen über das sprudelnde Wasser zu setzen und nach genau fünf Minuten wieder herunterzunehmen, die Teigtaschen auf Wärmeplatten zu setzen und die Siebe neu zu füllen.
    Um achtzehn Uhr fünfzig füllte sich der inzwischen eingedeckte Speisesaal mit lärmendem Publikum. Durch die Durchreiche spähend erkannte ich: nur Chinesen. Es wurden immer mehr. In Anzügen, Arbeitskleidung, Freizeitkleidung. Und fast nur Männer. Verstreut dazwischen ein paar Einheimische. Ein Geschwader von afrikanischen Helferinnen trug das Essen hinaus. Die Küche, in der wir am Ende kaum mehr hatten treten können, leerte sich zusehends, alles wanderte hinaus auf die Tische. Hier wurde nicht bestellt, es wurde einfach alles aufgetragen, was gekocht worden war.
    Ich taumelte auf einen freien Hocker und löffelte eine zweite Schale Suppe hinunter, die mir Lin Tau mit unbewegter Miene gereicht hatte. Huhn mit Zitronengras

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