Gabun - Roman
man als Kind ein Stofftier umklammert, um einzuschlafen. Elf mal fünftausend Euro. Bei vorsichtiger Schätzung, das hatte ich mir ausgerechnet. So schlief ich ein.
Am nächsten Tag wurde ich in die Kunst der Suppenküche eingewiesen. Ich lernte mehr über die Harmonie der Brühen, in denen Fischteigtaschen, Fleischteigtaschen, Gemüseteigtaschen, Schweinemettbällchen und Fischmettbällchen gesotten wurden. Ah Soo legte die Gemüse und Gewürze, die zueinander gehörten, damit zwischen Einlage und Brühe Harmonie entstand, auf großen Schneidbrettern zusammen und hackte sie in den passenden Formen klein. Lin Tau hatte mit meiner Unterstützung zwei frische Schweinehälften aus dem Kühlhaus geholt und an Haken gehängt, die im Schlachtraum von der Decke hingen. Nun hieb er das Schwein mit einem Beil in Stücke. Seine Schläge kamen schnell und scheinbar ungezielt, sie saßen aber haargenau. Das Beil schnitt nur millimeterbreit an den Knochen vorbei, und das Schwein fiel nach und nach auseinander wie die Spalten einer Orange. Er war ein Meister mit der Klinge. Dabei waren seine Messer dünn geschliffene, billig aussehende Dinger, die Ze Zé nicht einmal zum Fischeschuppen genommen hätte. Aber scharf waren sie wie Glasscherben.
Im Kühlcontainer hatte ich noch ein weiteres Dutzend Schweinehälften gesehen, das erschien mir ziemlich viel, nachdem ich angenommen hatte, dass das Essen in erster Linie aus Gemüse bestand und nachdem mein Vorwissen die Chinesen als Vorreiter einer gesunden fleischarmen Kost gespeichert hatte.
In einer Pause, es gab doch ab und zu Pausen, wie ich erleichtert feststellen konnte – sie durften nur nicht so genannt werden –, bei einer dieser Pausen also fragte ich Ah Soo, wozu man so viele Schweine benötigte, und erfuhr, dass Chinesen erklärte Schweinefleischliebhaber seien. Die chinesische Regierung, verriet er, habe für Notzeiten vorsorglich Tausende Tonnen Schweinefleisch einfrieren lassen, damit es nicht knapp werde, damit also kein Schweinefleischnotstand entstehen könne. Wohl der Harmonie wegen, witzelte ich, damit es keinen Aufstand gäbe, wenn kein Schwein mehr auf den Tisch komme? Ah Soo bestätigte meine Vermutung mit ernster Miene. Ohne Spaß, Schweinefleisch sei unverzichtbar, bestätigte er. Es gebe wenig, worauf man in China im Ernstfall nicht verzichten könne. Schweinefleisch aber müsse auf den Tisch.
»Wo kommen eigentlich die Leute alle her?«, wollte ich wissen.
Während draußen die Gäste am Buffet vorbeiströmten und sich die Teller vollpackten, gönnten wir uns in der Küche leichte Omeletts mit kross gebratenen Schweinespeckwürfelchen und dunkelgrünen, genau vierundzwanzig Stunden lang eingeweichten Pilzen. Dazu gab es schwarz gekochte Eier.
»Die arbeiten hier«, sagte Ah Soo. »Sie bauen eine Straße. Eine Straße und vielleicht auch noch eine Eisenbahnstrecke.«
Er stach sein linkes Stäbchen in ein schwarzes Ei, das rechte in ein Fischbällchen. Balancierte das Ei geschickt in den Mund und schob das Fischbällchen hinterher. Auf meine fragende Miene hin machte er mit dem freien linken Stäbchen eine kreisförmige Bewegung.
»Bis zum Meer«, ergänzte er mit vollen Backen.
Woher die Unmengen Gemüse kämen, fragte ich ihn, und das ganze Fleisch, all die chinesischen Küchenutensilien. Das werde eingeflogen, erklärte Ah Soo. Von Beijing oder von Shanghai nach Lubumbashi. Von dort mit dem Lastwagen hierhergefahren oder mit dem Flugzeug gebracht. Die Nahrungsmittel müssten kühl bleiben, anders wäre das unmöglich. Tiefgefrorenes Gemüse bringe er nicht auf den Tisch, das würde kein Chinese essen. Und das Gemüse halte sich anschließend im Container höchstens eine Woche.
Er sei, sagte Ah Soo, nun seit drei Jahren hier. Zurzeit befinde sich nur die Hälfte der chinesischen Angestellten vor Ort. Das Projekt habe sich verzögert, er kenne die Gründe nicht. Schwierigkeiten eben. Aber bald kämen wieder mehr Chinesen. Er selbst, ließ er mich wissen, komme, wie Lin Tau, aus Nanjing. Ob ich mal dort gewesen sei? Ich verneinte.
»Nanjing war mal Hauptstadt von China«, sagte Ah Soo, musterte mich und nahm sich noch ein schwarzes Ei.
Vier Kaiser in zweitausend Jahren, erklärte er, nachdem das Ei verzehrt war, seien dort begraben, in einem großen Park unter dem Berg der Ersten Pflaumenblüte. Auch Sun Yat-sen sei in Nanjing begraben worden, den würde ich ja wohl kennen, oder? Man steige zwanzig Treppen hoch zu seinem Grab, er werde sehr verehrt,
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