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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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diesmal und harmonisch geschnittenes Gemüse in den fünf Grundfarben. Lin Tau lehnte an der Arbeitsplatte und schaute mir zu, bis ich fertig war. Zeigte mir schließlich in seiner hohlen Hand ein Päckchen Zigaretten und wies zum Ausgang hin. Ich nickte, rappelte mich hoch.
    Draußen saßen wir beim Kühlcontainer, den Rücken gegen das kalte Metall gelehnt, und rauchten amerikanische Zigaretten. Lin Tau erwies sich als angenehm schweigender Zeitgenosse, er verfügte über ein Schweigen, das den Kontakt vertiefte, als hätten wir über alles bereits geredet und alles wäre gesagt. Sein Gesicht mit den mongolisch konturierten Wangen und der breiten Nase wirkte auf eine endgültige Art gemeißelt, vielleicht auch deshalb, weil seine Mimik äußerst sparsam war. Er hatte seine Haare vollkommen abrasiert, damit sah er aus wie ein Mönch. Er rauchte konzentriert, zog den Rauch tief hinein und ließ ihn eine Weile absitzen, als wäre die Zigarette ein Joint. Dann blies er den Rauch genüsslich durch die Nase wieder hinaus. Nach einigen weiteren Minuten angenehmen Schweigens zeigte er, während Rauch aus seiner Nase strömte, auf seine Brust und sagte:
    »Nanjing.«
    Ich antwortete mit dem Zweisilber »Ber-lin«.
    Lin Tau nickte, damit waren wir als Kollegen sozusagen verortet.
    Die Zigarettenpause hatten wir uns verdient, denn kaum waren wir zurück, wanderten schon die ersten Schalenstapel zurück in die Küche, und François tauchte wieder auf. Die Spülerei ging los, sie dauerte alles in allem genau bis einundzwanzig Uhr fünfundvierzig.
    Ich war nicht sicher, wie viele Arbeitstage ich auf diese Art durchhalten würde. Immerhin, es gab zu essen, ich bekam etwas Geld, und ich war nicht von Erschießen oder Händeabschlagen bedroht. Und ich befand mich am sichersten Ort, den es auf Erden geben kann: in einer Küche. Dass ich Essen für die künftigen globalen Machthaber der Erde kochte, wie Bruno, der Verräter, die Chinesen genannt hatte, machte meine Position keineswegs unsicherer.
    Vielleicht konnte ich ja Karriere in China machen, nachdem das Gaststättengewerbe sich immer deutlicher als meine Bestimmung entpuppte. So mancher hatte mit Geschirrwaschen angefangen. Solche Gedanken bewegten mich, während mir Ah Soo schließlich nach Feierabend meinen Schlafplatz zuwies. Er war mit einem kleinen Sack in der Hand aufgetaucht und drückte ihn mir in die Hand.
    »Zum Schlafen«, sagte er.
    In dem Sack befand sich ein fabrikneues Kuppelzelt für drei Personen. Ich stellte es im Finstern auf, ein Stück entfernt vom Kühlcontainer, unter dem nervenverzehrenden Zirpen der Grillen, mit den letzten mir verbliebenen Kräften. Dann zippte ich den Reißverschluss auf und legte mich hinein. Auf den blanken Boden. Die Küchenkleidung noch am Leib streckte ich alle Glieder von mir, unfähig, noch irgendeine Bewegung mit meiner Willkürmuskulatur auszuführen.
    Ich dachte an Felicité, an De Vries, an Wessing. Sie würden sich sicher Vorwürfe machen, es wäre nur recht und billig. Ich versuchte, mir Felicité vorzustellen, wie sie um mich weinte, aber das wollte mir nicht so recht gelingen. Stattdessen erschien ihr Gesicht mit dem Ausdruck vor mir, wie ich ihn gesehen hatte, als ich durch die offene Luke des Helikopters an ihr vorbeigesegelt war. Ich sah ihn ganz deutlich wie auf einem Foto, und ich konnte diesen Ausdruck in Ruhe analysieren wie ein Kriminalist ein Verbrecherporträt, das er vor sich auf dem Schreibtisch hat. Überraschung war in ihrer Miene gewesen, Erschrecken. Aber nicht das blanke Entsetzen, das man empfindet, wenn man jemanden verliert, ohne den man nicht sein möchte. Gut, sie war halb nackt durch ein Rudel Treiberameisen gerannt, aber das Gesicht meiner Gefährtin, mit der ich den Dschungel und die Nähe des Todes erlebt hatte, war nicht von Schmerz gezeichnet gewesen. In ihren schönen mandelförmigen Augen stand nicht: Um Gottes willen, nein! Eher: Na so was!
    Mein verletzter Stolz und meine berechtigten Vorwürfe schoben mich zur Schwelle des Schlafes hin. Man schläft ja gut, wenn man bei den Gerechten weilt. Leider erschien im letzten Augenblick auch noch Lea, das heißt, ihre Stimme kam verzerrt über einen altmodischen Kurzwellensender herein, dessen Fiepen den Grillen draußen sehr ähnlich war. »Quatsch«, sagte Lea piepsend. »Die waren froh, dich los zu sein.«
    Ich griff nach dem Affenschädel, in dem sich elf Diamanten befanden, so groß wie Haselnüsse, und zog ihn an mich. Vielleicht so, wie

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