Gabun - Roman
starrte auf meinen Finger und wartete auf Blut, es kam keines. Das Messer hatte spielend den äußeren Teil der Hornhaut abgeschnitten, der nicht durchblutet war. Den Rest der Spalte schnitt ich ganz langsam. Ich war noch nicht reif für solch ein Messer. Kein Samurai und auch kein Mönch.
»Brauchst du mich noch?«, fragte ich Ze Zé.
Ich steckte das Messer vorsichtig in den Block zurück. Nachdem Ze Zé, versunken in seine Kompositionen, nicht geantwortet hatte, ging ich in die Knie und kroch unter den Tisch, um die Ananasschalen aufzusammeln. Zen, lehrte Ze Zé, bestehe zum Beispiel darin, dass man seinen Dreck wegräume. Unter dem Tisch kramend hörte ich das satte Ploppen von Korken. Ze Zé entkorkte den für das Dinner ausgewählten Wein, um ihn zu dekantieren. Ein paar Ananasschalen, bemerkte ich, waren bereits von Ameisen entdeckt worden. Kleine rote Exemplare, die sich kaum herunterklopfen ließen. Sie würden im Mülleimer landen, nichts zu machen. Von da aus würden sie ihren gesamten Stamm benachrichtigen, und wir hätten in einer Stunde eine Ameisenstraße in der Küche, es sei denn, ich leerte den Eimer.
Die Ketten am Eingang klimperten, jemand kam in die Küche. Unter dem Tisch hervor sah ich Ze Zé demonstrativ mitten in der Bewegung erstarren wie vom Blitz getroffen.
Bei diesem Blitz konnte es sich nur um Felicité handeln. Ich tauchte unter meinem Tisch hervor. Sie stand breitbeinig gegen das Licht, ihre Silhouette im Gegenlicht hätte ein hinreißendes Foto für einen Bauarbeiterspind abgegeben, sie hatte bloß ein T-Shirt an und eine alte Jeans. Ze Zé starrte sie an, er hielt die Flasche in der Hand, den Korken halb herausgezogen, auf seinem Gesicht erschien das Lächeln, das ihr vorbehalten war, Felicités Abglanz. Felicité hielt vier leere Bierflaschen in den Händen.
»Teatime«, sagte sie. »Ich hol eben mal vier neue.«
»Felicité!«, hauchte Ze Zé guttural.
Sie angelte inzwischen die neuen Flaschen aus der Kühltruhe, Ze Zé starrte sie an, als wäre sie nackt. Aber sie beachtete seine Anbetung ebenso wenig wie die Anbetung von irgendjemand anderem.
»Hallo, Bern’«, sagte sie, als ich mit meinem Abfall in der Hand an ihr vorbeitrottete. Dazu ließ sie die vollen Flaschen freundlich gegeneinanderklirren. Ich versuchte ein normales Lächeln, was nicht leicht ist bei einer solchen Frau.
»Besprechung«, fügte sie hinzu und rollte beeindruckend mit den Augen.
Mit den vier Bierflaschen verließ sie den Küchenschuppen. Ich sah hinter ihr her und fragte mich – nicht zum ersten Mal –, wie sie es eigentlich anstellte, in ihre Jeans hineinzukommen, fand keine Antwort und verschob das Thema auf eine stillere Stunde. Schaute zu Ze Zé hinüber. Der, noch unter der Wirkung Felicités stehend, entließ mich mit zerstreutem Kopfschütteln, arbeitete wohl an mönchischem Verzicht. Vermutlich hielt er mich sowieso nicht für kompetent genug, an den Hauptgängen mitzuwirken. Ich nutzte seinen Zustand aus und nahm im Vorbeigehen noch einen Mangosaft aus dem Kühlschrank. Aber Ze Zé, obwohl er mir den Rücken zuwandte, war doch ein erfahrener Küchenmeister.
»Mann, Mann, Bernd«, knurrte er hinter mir her. »Einen Dollar, so eine Dose kostet einen Dollar.«
Ich hob zu seinem Kopfschütteln bloß die Schultern und ging hinaus. An Luxus, dachte ich, gewöhnt man sich schnell.
In meiner Hütte überprüfte ich zunächst den Insektenstatus im Innenraum, dann schüttelte ich meine Schnürstiefel aus, um Skorpione hinauszubefördern, die vielleicht in der Zwischenzeit hineingekrochen waren. Später lernte ich, dass man Skorpione nicht einfach wegschütteln kann, wenn sie sich vorgenommen haben, sich irgendwo festzuklammern, aber in diesem Augenblick beruhigte mich das Schütteln, und ich schlüpfte entspannt in die schweren Stiefel.
Ich machte mich daran, im großen Bogen zum Fluss hinüberzugehen, dazu musste ich über die Rodung. Ich wollte auf jeden Fall in Sichtweite der Lodge bleiben. Außerhalb des gemähten Bereichs wuchs das mannshohe Gras mit messerscharfen Halmen, dahinter kamen die Urwaldbäume, deren Kronen im Schein der tief stehenden Sonne rotbraun zu mir herüberleuchteten. Ich strolchte über die Lichtung. Aus dem nahen Wald hörte ich Geräusche, die ich inzwischen als Abendgeräusche einordnen konnte. Zu den aggressiven, aus allen Ecken loskrachenden Tönen der Zikaden gesellten sich abends ein zartes mehrstimmiges Fiepen und ein Geräusch, als schlügen Zwerge an
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