Gabun - Roman
Palisanderblock. Damit schnitt ich die Enden der Früchte ab, ich bemühte mich, gerade zu schneiden. Ze Zé hatte seine Augen überall. Er würde mir das Messer aus der Hand reißen, wenn ich es an Achtsamkeit – das war die Grundhaltung, auf die Ze Zé in der Küche Wert legte – würde fehlen lassen.
Awareness. Gehaucht mit Ze Zés französischem Akzent, das stimmlose »S« wie ein abgeschossener Pfeil aus einem Zen-Bogen, im Nichts endend. Der Begriff wäre unübersetzbar, hatte Ze Zé mir heute früh beim Zwiebelschneiden auseinandergesetzt. Die Franzosen würden ihn nicht kennen, sie seien zur Achtsamkeit nicht in der Lage. Die Asiaten und die Afrikaner, so Ze Zé, besäßen ein natürliches Talent dafür. Nur die zum Dulden verurteilten Völker, so seine Hypothese, hätten die Gabe zur Kontemplation entwickelt, sie verfügten auch über die ältere Kultur, das gehe in eins. Ich hatte das nicht kommentiert, die Zwiebeln hatten mir in diesem Augenblick die Tränen in die Augen getrieben.
Ze Zé, auf dem Weg zum Backofen, schielte zu mir herüber. Er hatte schon am ersten Tag erkannt, dass man mir noch eine Menge beibringen musste. Ich hatte die Ananas inzwischen geviertelt, geachtelt und die Schale sauber abgetrennt. Nun schnitt ich mit dem Messer, sehr achtsam neben meinen Fingern hantierend, kleine Dreiecke von den Spalten ab. Ze Zé entließ mich aus seinem Blick. Er ging zu einer der Kühltruhen, hob den Deckel an und warf eine überzählige Rolle Baguetteteig hinein. Verharrte einen Moment sinnend, die Hände am Truhendeckel.
»Vielleicht«, sagte er, »mache ich heute Omeletts mit Périgord-Trüffeln. Und danach Red Snapper auf einem Lauchbett. Dazu einen Chablis.«
Er sprach nicht mit mir, sondern vor sich hin, rezitierte das Evangelium seiner Rezepte. Die angesprochenen Trüffel lagen bereits auf dem Arbeitstisch, zwei dunkle Knollen mit weißlichem Anschnitt. Ich nahm eine in die Hand und roch daran.
»Finger weg, das sind fünfhundert Dollar!«, warnte Ze Zé.
Ich fand, dass sie stanken, hütete mich aber, einen Kommentar abzugeben. Über Trüffel wurde bei Ze Zé nicht diskutiert. Diese Trüffel stammten von unseren Gästen, den Giulianis, sie hatten sie als Geschenk mitgebracht. Die Giulianis kamen aus Cape Coral in Florida. Von dort aus brachen sie, wie sie gern erzählten, ein paarmal im Jahr auf, um die Welt zu sehen.
»Bevor wir den Löffel abgeben«, hatte mir Giuliani gestern beim Abendessen anvertraut, nachdem er mich zu einem Whisky – »zu einem sehr guten Whisky, mein Junge« – eingeladen hatte. Er führe eine Liste, auf der stehe, was er noch tun müsse, ehe er den Löffel abgebe. Ein netter Witz, denn eines der beiden Restaurants der Giulianis in Cape Coral hieß »The Spoon«. Das andere hieß »Cayman«, es war spezialisiert auf Fisch. Den Bezug zu den gleichnamigen Inseln musste man sich nicht unbedingt denken, man konnte es aber, wenn man sich der Vorstellung überließ, worüber dort beim Essen wohl geredet wurde. Ze Zé jedenfalls sah in den Giulianis eine besondere Herausforderung, ihr Lob spornte ihn zu Höchstleistungen an. Schließlich musste mit dem Essen dreimal am Tag das Niveau der Lodge unter Beweis gestellt werden, vor allem solange Essen das einzige Programm darstellte.
Die erste Safari ließ nämlich noch auf sich warten, daher war ein gewisser Druck bei der Belegschaft entstanden. Fox hatte für die nächsten Tage den Kontakt mit Flachlandgorillas versprochen, der ein fester Bestandteil des Programms war. Zusammen mit Farouk hatte er den Wald und die Hügellandschaft, an deren Flanke die Lodge lag, durchkämmt, und Farouk hatte dabei Spuren von Gorillatrupps ausfindig gemacht.
Farouk M’bele, »mein Kollege«, so hatte Wessing sich ausgedrückt, als wir einander vorgestellt wurden. Farouk, Spezialist für Menschenaffen, arbeitete als Primatenforscher an der Universität von Libreville. Mich hatte er bis jetzt kaum beachtet, ich konnte meine zoologischen Kenntnisse auch nicht wirksam einbringen. Was sind schon Ameisen gegen Gorillas oder Bonobo-Schimpansen? Immerhin hatte er mir heute früh beim Zwiebelschneiden Gesellschaft geleistet.
Ich ließ meine Ananasdreiecke vom Schneidbrett in die Schüssel rutschen. Noch eine Spalte zu schneiden. Ich versuchte es mal ein bisschen schneller. Bereits der dritte Schnitt trennte ein hauchdünnes Scheibchen Haut von meinem linken Zeigefinger; es ging so flugs, dass ich es erst bemerkte, als die Haut schon ab war. Ich
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