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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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auf die Schulter.
    »Du bist doch Biologe, Bernd. Hier ist pure Natur. Außerdem«, er sah mich mit schief gelegtem Kopf von der Seite an, »fand ich deinen Toast auf die Ameisen gestern Abend ziemlich witzig.«
    Er gab mir einen sanften Rippenstoß, dann ging er zu seinem Rucksack und kramte darin herum. Gleichmütig. Unter seinem T-Shirt regten sich ansehnliche Schultermuskeln. Zweifellos dschungeltauglich. Ich versuchte, die Fassung wiederzuerringen. Ein paar Mückenstiche würde ich abkriegen, ich würde meine Schuhe gründlich ausschütteln, wir würden ein Feuer machen und so weiter. Da drehte Farouk sich um und hielt eine Flasche Wein hoch, die er aus dem Rucksack gezogen hatte.
    »Bordeaux«, sagte er. »Cuvé Ze Zé. Hab ich für uns reserviert. Dazu gibt’s kaltes Lamm. Einverstanden?«
    Beim Bau der dritten Behausung im Pygmäenstil half ich mit. Fox erklärte, die Pygmäen ließen ihre Hütten einfach stehen, wenn sie weiterwanderten, man baue sie aus dem, was man gerade vorfinde. Es handle sich im Übrigen um die ältesten Häuser der Menschheit, Rundhütten, aus dem Material gebaut, das man vorfindet, wie bei den Iglus und den Hütten der Eiszeitjäger, die einst aus Mammutknochen errichtet worden seien. Technik der Steinzeit, noch heute im Gebrauch.
    Beeindruckt suchte ich nach tütengroßen Blättern, nachdem Farouk mir gesagt hatte, wo sie wuchsen und wie sie hießen: Wilde Banane. Mit ein paar Machetenschlägen kappte Fox neben mir ein kleines Bäumchen und schlug den Wipfel ab. Wir steckten ein paar davon kreisförmig in den Boden, bogen sie oben zusammen und verbanden das Ganze mit Zweigen und Ranken; die Blätter wurden anschließend einfach mit den Stielen daran gehängt. Es klappte ganz gut, nur einmal geriet ich beim Dachdecken an ein paar flinke schwarze Ameisen. Den langen Greifzangen nach handelte es sich um Soldaten einer größeren bodenbewohnenden Art. Sie verpassten mir zwei schmerzhafte Injektionen Säure in den rechten Handrücken, bevor ich sie wegschnippen konnte.
    »Gibt es hier überhaupt Pygmäen?«, fragte ich, mir die Hand reibend.
    Ich fand, dass jetzt eine Pause fällig war. Wessing, der sich überhaupt nicht am steinzeitlichen Hausbau beteiligte, lag bereits seit einiger Zeit in einer der fertigen Hütten, testete wahrscheinlich das Waldbett.
    »Es gibt welche in Gabun. Aber die meisten leben im Kongo«, sagte Fox.
    Er setzte sich zu mir auf die praktische Urwaldbank, die wir vorhin aus Astgabeln und darübergelegten Knüppeln gebaut hatten, und gab mir eine der Wasserflaschen, die danebenstanden.
    »Eigentlich leben die Pygmäen überall im Primärwald, sie sind die wahren Waldmenschen. Aber sie waren auch schon immer die Gejagten. Die Bantu hielten sie für Tiere und haben sie als Sklaven gehalten. Jetzt werden sie durch die Holzfäller und die Soldaten dezimiert, die im Wald hausen. Ihre Kultur ist empfindlich, sie sind Jäger, und ein Jäger braucht mehr Platz als hundert Bauern. Wenn nichts passiert, sind sie in ein paar Jahrzehnten nur noch Schatten, so wie die Inuit in der Polarregion, oder sie verschwinden ganz.«
    »Weiß man, weshalb sie so klein sind?« Ich sah zu Farouk hinüber. Vielleicht hatte der als Primatenforscher auch Lust, etwas zu meiner Bildung beizutragen. Er fühlte sich angesprochen.
    »Nein«, sagte Farouk. »Man weiß es nicht. Vielleicht weil viele Dschungelbewohner klein sind. Das Leben im Wald ist einfacher, wenn man nicht so groß ist. Die Ducker im Urwald zum Beispiel sind die kleinsten Antilopen, die es gibt, manche Arten sind nicht größer als eine Katze. Aber ich persönlich –« Er zögerte einen Moment.
    Er hat eine eigene Theorie, dachte ich. Hätte mich sonst auch gewundert, jeder Biologe, den ich kenne, hat eigene Theorien.
    »Also, ich glaube«, setzte Farouk wieder an, »dass es früher einen ziemlich heterogenen Genpool gegeben hat, ich meine den vor zehn Millionen Jahren, den Genpool, aus dem die Menschen entstanden sind. Die Körpergröße zum Beispiel ist variabel, das hat man bei den prähistorischen Zwergen von Flores gesehen, die waren ja noch kleiner als die Pygmäen.«
    Er zerknüllte die Verpackung seines Dörrobstriegels und entsorgte sie in der Tasche seiner Hose, warf uns einen Blick zu, ob wir noch zuhörten. »Das Kongobecken und Westafrika wurden von der jüngeren Entwicklung abgetrennt, die in Ostafrika vor sich gegangen ist. Der zentralafrikanische Graben entstand vor dreißig Millionen Jahren. Heute liegen

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