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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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dass es doch in Afrika gewesen sei, und zwar eine Tour auf den hohen Atlas – stimmt, nun erinnerte sich auch Giuliani. Das sei die härteste Nummer seines Weltenbummlerdaseins gewesen, nicht nur weil da oben kein Baum und Strauch wachse, bei fast viertausend Metern sei das ja auch nicht zu erwarten, sondern weil die Eingeborenen maßlos unfreundlich gewesen seien. Keine Manieren. Sie gehörten zu den Leuten, die Amerikaner hassten, stellte er kopfschüttelnd fest. Es würden immer mehr. Immer mehr Menschen auf der Welt hassten Amerika, begreife das, wer könne. Warum nur?
    »Doch Oda, sie hassen uns.«
    Giuliani streckte abwehrend beide Hände aus. Es war ihm ernst. Der eine Kerl habe ihm doch frech ins Gesicht gesagt, dass er zu dick sei und dass man ihn bloß hier herauf mitgenommen habe, weil der Reiseveranstalter darauf bestanden habe. Und das Essen sei sowieso unter aller Kritik gewesen, eigentlich ungenießbar. Bohnen und solches Zeug, dazu trockene Datteln und Wasser, bloß Wasser. Okay, die Gegend liege in der Wüste. Aber schlimmer noch, der eingebildete Beduine sei voller Verachtung für die ihm anvertrauten Menschen gewesen. Wahrscheinlich aus religiösem Fanatismus. Ein Allah-Jünger, ein Fundamentalist.
    »Sehr gut aussehend«, warf Oda ein.
    »Ein durch und durch arroganter Typ«, beharrte Giuliani.
    Der Kerl habe jeden Abend Nüsse verteilt an die Gruppe, als Belohnung. Wie für Kinder an Weihnachten. Nüsse!
    »Und weißt du, was er zu mir gesagt hat, Junge? Zu mir?« Giuliani lachte dröhnend, ein Gorilla wäre stolz gewesen auf so ein Lachen. »Er hat gesagt: Du musst abnehmen, du bekommst keine Nüsse.«
    Ich lachte mit, hörte meinem leiseren, weniger überzeugenden Lachen zu. Welche Türen würden sich mir öffnen, besäße ich ein Lachen wie Giuliani. Aber vielleicht war es mit dem Lachen ähnlich wie bei den Tenören. Unter hundert Kilo geht kein hohes C, das behauptete zumindest Lea, die ich gelegentlich in die Oper begleitet hatte. Wagner. Mein Gott, Wagner. In glücklicheren Tagen hatte ich mich darüber mokant geäußert, ich erinnerte mich mit Reue daran. Wie gern wäre ich jetzt in eine Wagner-Oper gegangen. Fünf Stunden in einem temperierten Raum zu dämmern, in der Pause ein Bier trinken, neben Lea stehen, hübsch zurechtgemacht in ihrem langen roten Kleid mit den dünnen Trägern über den runden Schultern, und vorbeidefilierende Leute zu grüßen, die wir beide nicht kennen, die unsere Honneurs aber erwidern, aus den gleichen Gründen, aus denen wir ihnen zunicken.
    Zurückgelangt in die Hitze Gabuns schaute ich dorthin, wo eben noch Frau Dr.   Decker herumstolziert war; ich hatte unbewusst registriert, wie sie aus meinem Gesichtsfeld verschwand. In der Tat, sie war nicht mehr da. Nur hohe Grashalme, die in der Hitze flimmerten. Die Löwen fielen mir ein und die Geschwindigkeit, mit der sie angreifen konnten. War ich nicht verantwortlich? Ein Guide! Ich rappelte mich hoch, warf einen orientierenden Blick in die Runde, da spürte ich sie in meinem Rücken, noch ehe ich sie gesehen hatte. Sie stand genau hinter mir. Eine Gottesanbeterin auf Beutefang. Stand es etwa schlecht um mich?
    Sie hielt mir eine Hand voll ausgerupfter Gräser hin.
    »Schauen Sie«, sagte sie.
    Ich schaute. Wusste nicht, was sie von mir erwartete, deshalb sagte ich beeindruckt: »Aha.«
    »Gerste«, bemerkte sie und ließ die Grashalme fallen. »Hier muss mal jemand Getreide angebaut haben.«
    Ihr Gesichtsausdruck ließ nicht erkennen, ob sie daraus eine Unterhaltung machen wollte. Ich zog die Augenbrauen hoch. Im letzten Moment unterdrückte ich ein zweites »Aha«.
    Sie wandte sich von mir ab und ging ein Stück den Pfad entlang. Jetzt fiel es mir ein, endlich. Ihre Bewegungen waren es. Der Vogel, der mir im Zoo immer am merkwürdigsten vorgekommen war, weil er so alt aussah, schon als Kind wusste ich seinen Namen: Marabu.
    Nach einer knappen Stunde kehrten Fox und Farouk mit vielversprechendem Gesichtsausdruck zurück, sie hatten klar und deutlich frische Spuren von Gorillas ausgemacht. Man könne so gut wie sicher mit einem Kontakt rechnen.
    Wir nahmen unser Gepäck auf und begaben uns hinunter zum Fluss. In der feuchten Uferzone kam man gut voran, hier wuchs kein hohes Gras, das uns den Blick verstellt hätte, nur Schilf. Ich trottete durch den Sumpf, überlegte, ob die Gabunviper ihren zwanzig Pfund schweren Körper auch hier so raffiniert eingraben konnte, dass bloß ihre Augen herausguckten, und

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