Gabun - Roman
innerhalb von ein paar hundert Jahren, nachdem die Clovis-Kultur aufgetaucht war, mit effizienten Lanzenspitzen aus Feuerstein.«
Fox lächelte einen nach dem anderen an. Wir hörten alle zu, auch Giuliani. Er fächelte sich mit der Hand Luft zu, wie ein Karpfen mit der Brustflosse wedelt.
»Aber in Afrika war es anders«, fuhr Fox fort. »Dort haben Großsäuger überlebt, die es schon vor Zehntausenden von Jahren gab. Elefanten, Giraffen, Nashörner, Flusspferde, das Okapi. Dieser Kontinent ist ihr letzter Lebensraum. Afrika, das ist ein Panorama der Urzeit, wie sie war, ehe der Mensch aufgetreten ist. Das gibt es sonst nicht mehr auf der Erde.«
Fox’ Blick kehrte zu mir zurück. Ich erwiderte ihn mit einem Nicken. Seine Hand lag noch auf meiner Schulter, wir hatten einen Pakt. Ein gemeinsames Ziel. Ich reichte Giuliani noch eine Flasche Evian. Er gurgelte sie zur Hälfte hinunter. Wenig später gab Frau Dr. Decker ihn nach einer letzten Pulskontrolle für den Weitermarsch frei.
Nach einer kurzen Schlepperei ging es nun stetig bergab, und bald ließen wir den dichten Wald hinter uns. Fox und Farouk setzten sich an die Spitze der Kolonne, ein Zeichen dafür, dass es jetzt ernst wurde. Der Weg verlief durch festes, hohes Gras in einer breiten frei getrampelten Schneise. Ein Elefantenpfad, erklärte uns Fox. Auf einer Lichtung hielten wir an. Er werde nun, teilte Fox mit, zusammen mit Farouk das Terrain sondieren und nach den Gorillas Ausschau halten. Man habe vor, sich am Fluss entlangzubewegen, wo die Sicht am besten sei. Dort hoffe er, auf einen der Gorillatrupps zu treffen, die hier durchzögen. Der Plan wurde gutgeheißen. Eine gewisse Aufregung machte sich breit. Als Fox und Farouk weg waren, winkte Giuliani mich heran. Aus einer seiner Taschen zog er eine kleine silberne Flasche.
»Komm, mein Sohn«, sagte er.
Oda Giuliani sah mich mütterlich an, das tat sie jedes Mal, wenn Vern in diesen pastoralen Ton verfiel. Ich nahm an, dass sie kinderlos waren, sonst hätte sich das abgenützt.
»Mein Sohn«, fuhr Giuliani im Stil eines Erweckungspredigers fort, »du musst das hier probieren.«
Ich schnupperte an dem silbernen Flachmann, den er aufgeschraubt hatte, es roch nach Schnaps. Automatisch warf ich der Ärztin einen Blick zu; ich vermutete, dass es vielleicht nicht gesund wäre, jetzt mit Giuliani einen zu heben. Sie passte nicht auf, stelzte in einiger Entfernung vogelartig herum, suchte irgendwas am Boden.
»Das ist der älteste Cognac, den du bekommen kannst, Junge«, sagte Giuliani dumpf.
Er beugte sich vor, um in den winzigen Schraubverschluss eingießen zu können, seine Hand zitterte, einiges ging daneben.
»Vergiss alles«, keuchte er, »was du je über Cognac gehört oder gelesen hast.«
Seine Hand zitterte noch immer, als er mir den fingerhutgroßen Becher herüberreichte. Ich griff danach wie nach einem Sakrament. Versuchte, Neugier und Andacht in meinem Gesichtsausdruck zu mischen, und kippte mir den Inhalt in den Mund. Es schmeckte gut, wie guter Schnaps eben. Giuliani sah mich so konzentriert an wie jemanden, der gefragt wird, ob er den Krebs auf seiner Röntgenaufnahme erkennen könne. Ich fühlte, dass ich in diesem Augenblick viel falsch machen konnte, und entschied mich für das Einfachste.
Ich sagte: »Mann. Das ist ein Schnaps.«
Dabei versuchte ich, wie ein Sohn und wie ein Sünder gleichzeitig auszusehen. Es klappte. Giulianis Gesicht explodierte aus der Besorgnis hinaus ins Vergnügen. Er schlug mir heftig auf die Schulter.
»Ich hab’s dir gesagt, mein Sohn«, ächzte er. »Das ist ein Lebensretter. Ein Le-bens-retter, sage ich.«
Oda stimmte hell in sein Lachen ein. Ich fand die beiden so komisch, dass ich mitlachen musste. Frau Dr. Decker schaute missbilligend herüber, in der Hand eine ausgerissene Pflanze. Aber selbst sie geriet an ein Lächeln, fortgerissen aus ihrer Muffigkeit von Giulianis Frohsinn.
Das Lachen hatte mir den Schweiß auf die Stirn getrieben, alles klebte an mir. Ich bot Giuliani den Rest der Wasserflasche an. In den Trinkpausen erzählte er, im letzten Jahr seien sie auf einem ähnlichen Trip in Tibet gewesen. Nicht Tibet, korrigierte Oda, Nordafrika. Sie könne sich gut daran erinnern, dass die Typen am Flughafen alle schwarz gewesen seien und die Führer der Reisegruppe auch. Giuliani versetzte, dass die Sherpas und Tibeter auch schwarz seien, jedenfalls ziemlich schwarz, aber Oda blieb fest. Die beiden einigten sich schließlich darauf,
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