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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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Wessing, die Gäste ein. Die Giulianis, schwer atmend, aber mit vom Anblick des Urwalds beglücktem Gesichtsausdruck, und die griesgrämig blickende Ärztin, die bloß einen kleinen Daypack dabeihatte, wahrscheinlich mit ihrer Tagesration Karotten. Wessing und Fox brachten in zwei vollgestopften Rucksäcken den Lunch, jeder trug außerdem in der Hand noch zwei große Packen mit Mineralwasserflaschen. Die Sachen wurden in den Hütten deponiert. Es gab noch einen Espresso vom Gaskocher für alle, dann wurde das Safarigepäck aufgeteilt.
    Die Logistik zu optimieren, ließ Fox uns anschließend beim Kaffee wissen, sei ein bewährtes Expeditionsprinzip. Die Römer hätten ein Imperium beherrscht, nicht durch Tapferkeit, sondern durch Straßenbau. Wessing blieb bei den Hütten. Bekam noch einmal von Farouk eingeschärft, er solle bloß nicht rauchen.
    Wieder nahm der Wald uns auf. Wir folgten dem Holzfällerpfad, der sich in Fußbreite durch das steiler werdende Gelände schlängelte. Fox bewegte sich mit seinem beneidenswert verschlissen aussehenden Rucksack so trainiert, dass man hätte glauben können, er verkrafte noch eine Traglast an Lebensmitteln zusätzlich. In meinem Gepäck befanden sich das Stativ der Giulianis und eine Kühlbox mit Ze Zés extra für die Safari komponierten Anchovisbutterstullen, belegt mit Lachs und Scheibchen aus Kapernäpfeln. Außerdem zogen vier Zweiliterflaschen Evian an meinen Traggurten. Ich schielte nach der alten Ärztin, die in ihren kurzen Hosen mager und sehnig vor mir schritt, als wäre sie jeden Tag im Urwald unterwegs. Zumindest tut ihr die Hitze nicht viel, dachte ich schnaufend. Wer nur fünfundvierzig Kilo wog, konnte keinen großen Wasserhaushalt haben.
    Der Wald, durch den wir gingen, hatte sich seit gestern Nacht verändert, er war mir nähergekommen. Tausend Augen wusste ich nun in dem scheinbar unbewohnten Gewirr aus Blättern und Zweigen, hinter den fetten Schmarotzerpflanzen, deren Luftwurzeln büschelweise aus den Astgabeln hoch aufragender Baumstämme herunterbaumelten wie in einer Seilerei. Unsichtbare Wipfelbewohner, Vögel, nahm ich an, folgten uns, oder sie flohen vor uns. Das war nicht zu unterscheiden, weil ein beständig losbrechendes Flattern und Knacksen über uns zu vernehmen war. Vielleicht waren es ja gar keine Vögel.
    Am Boden herrschte eine aufmerksame Stille. Alles verbarg sich.
    Nur einmal innerhalb einer Stunde begegneten wir einem Tier, einer grünen Eidechse. Ein Fleck smaragdgrüner Haut, im Dämmerlicht des Dschungels glomm er wie ein Juwel, ein glänzendes Auge darin, das uns musterte. Ein gezackter Kamm. Im nächsten Augenblick, als habe das Tier nur darauf gewartet, entdeckt zu werden, war die Eidechse verschwunden. Nicht einmal die Blätter, zwischen denen sie hervorgelugt hatte, hatten sich bewegt, sie war einfach nicht mehr da. Das war für lange Zeit das einzige Lebewesen, das wir auf unserem Marsch antrafen, einer Wanderung durch das artenreichste Biotop der Welt.
    »Sekundärwald«, erklärte Fox, der stehen geblieben war, mit einer ausholenden Armbewegung. »Hier waren früher mal Dörfer. Jedenfalls Menschen, die gerodet haben. Der Wald ist nachgewachsen, aber ein paar der größeren Arten fehlen.«
    Ich überlegte, ob das ein Nachteil war, ein Problem gar, und entschied, es müsse sich um ein Problem handeln, nachdem ich bereits gelernt hatte, dass alles, was Menschen verursachten, in Fox’ Augen zu einem Problem wurde, vorausgesetzt, man tastete die Natur an. Die Natur war in sich vollkommen, der Mensch war es, der störte. Man konnte sein Stören nur reduzieren, der Makel des Zerstörers haftete dem Menschen seit der Vertreibung aus dem Garten Eden an. Aber waren die ersten Menschen nicht vielmehr wegen ihrer respektlosen Wissbegier und ihrer Neigung zum Ungehorsam aus dem Paradies vertrieben worden? Ihr zerstörerisches Einwirken auf die Natur hatte der Gott des Alten Testaments, soweit meine Bibelkenntnisse reichten, weder vor noch nach der Vertreibung als wesentlich angesehen.
    Außerdem – ich trottete mit meinem schweren Rucksack hinter den anderen her – hegte ich seit Langem schon Zweifel an allem, was »natürlich« hieß. Am natürlichsten wäre die Erde, wenn es den Menschen gar nicht gäbe, bloß wäre dann keiner da, der das natürlich fände. Ich sagte schon, es war heiß und ich hatte schwer zu tragen, ich konnte meine Gedanken unter diesen Umständen schlecht anhalten.
    Unser Gänsemarsch kam zum Stehen. Fox eilte

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