Gabun - Roman
am Straßenrand vor dem Landwirtschaftsministerium, und mir kam der seltsame Gedanke, dass die Gestalt, die das Huhn auf dem Schoß gehabt hatte und deren Gesicht ich nicht gesehen hatte, mit ihrer ledernen Erscheinung einer Moorleiche wie ein Zwillingsbruder des sonderbaren Waldtrolls ausgesehen hatte, und womöglich hatte er auch im Gras gestanden und uns beobachtet, als wir hierhergefahren waren. Mit diesen Gedanken schlief ich ein.
Beim Frühstück drehte sich das Gespräch um die Einrichtung der Lodge, die auf die Giulianis, wie sie meinten, einen sehr positiven Eindruck machte. Oda Giuliani lobte das Interieur: Mahagoni, Teak, Eisenholz. Sehr geschmackvoll, und: Woher man das Holz beziehe? Fox erklärte, die Möbel in den Gästehäusern seien von einheimischen Handwerkern aus Treibholz von der afrikanischen Küste geschreinert worden, man habe zusätzlich Tsunamiholz aus Indonesien verwendet. Mahagoni und Teak habe man wegen der Wetterbeständigkeit genommen und um die Optik zu vereinheitlichen. Man befinde sich damit noch in einer Pionierphase, sagte Fox und tunkte seine Brioche in den Kaffee, den ich gerade Tasse für Tasse auf dem Gaskocher mit dem Espressokocher zubereitete.
»Einiges funktioniert noch nicht so, wie wir uns das vorstellen«, sagte er, »aber das mit den Möbeln klappt schon ganz gut.«
»Tsunamiholz, das ist wundervoll. Also, wenn man das kaufen kann«, sagte Oda Giuliani mit einem Blick auf ihren Mann, »dann bestellen wir welches für ein paar von den Häusern, die uns besonders am Herzen liegen, oder?«
Giulianis zustimmende Handbewegung war wie ein unterschriebener Vertrag. Er grinste Fox an, wartete auf Rückbestätigung.
»Das geht leider nicht«, meinte der.
Man müsse aufpassen, dass solche Sachen nicht gleich kommerzialisiert würden. Aber ein, zwei Garnituren, nicht als Geschäft, sondern als Geschenk, das ließe sich sicher machen.
»Abgemacht, als Geschenk. Wir machen Ihnen ein Gegengeschenk«, sagte Giuliani. »Haben Sie italienische Vorfahren, Bob?« Er lachte sein Gorillalachen. »So viel Geschäftssinn hätte ich bei Ihnen gar nicht vermutet. Erzählen Sie. Was haben Sie noch vor in Ihrer Lodge? Wir lernen von Ihnen.«
»Wir streben natürlich ein umfassendes Öko-Zertifikat an, nach den wichtigsten internationalen Kategorien. Also: nachhaltige Lebensmittelbeschaffung auf kurzen Wegen, Berücksichtigung einheimischer Produktion, Reduktion von Müll und Chemie, Nutzen von Sonnenenergie. Wir werden unsere Fahrzeuge in Zukunft nicht mehr mit Dieselöl, sondern mit aufbereitetem Frittieröl fahren, das beziehen wir aus Franceville. Und natürlich die Solaranlagen, das ist mir besonders wichtig. Wir werden bald innovative Hitzetechnik mit Parabolrinnen hierhaben. Wir werden außerdem Urwald aufforsten, und wir werden im Park Kakaopflanzungen anlegen und den Kakao dann fair handeln.«
»Lohnt sich das?«
Giuliani streckte seine leere Espressotasse horizontal von sich. Ich füllte sie nach. Mein Hotelreflex.
»Es lohnt sich doppelt«, antwortete Fox mit einem bescheidenen Lächeln. »Zum einen ist der Kakaopreis enorm gestiegen, seitdem Greenpeace die Praxis der Kakaopflanzer in Westafrika aufgedeckt hat. Sie haben das sicher gelesen, es ging durch die Presse: überwiegend Kinderarbeit. Die großen Konzerne machen sich nicht gern die Hände schmutzig an so was, die Erzeuger haben jetzt Absatzprobleme schon für den normalen Kakao. Zweitens werden wir in den besten Lagen Criollokakao pflanzen, für besondere Abnehmer. Das ist der teuerste Kakao der Welt. Ich habe schon mit Leuten gesprochen, die damit handeln. Criollo wird einem zurzeit aus der Hand gerissen. Eine Tafel Schokolade davon kostet in Europa zehn Euro.«
Giuliani klatschte in die Hände. »Wir sprechen uns noch mal, wenn Sie ein Stück weiter damit sind, Bob. Sie gefallen mir. Ich mache gern Geschäfte mit Leuten, die mir gefallen.«
Er kippte seinen Espresso hinunter. Ich wartete mit der Kanne in der Hand auf die ausgestreckte Tasse, aber sie kam nicht. Fox sah zu Frau Dr. Decker hinüber, die auf der Urwaldbank saß und in ihre Teetasse blies. Er wollte niemanden ausschließen. Vielleicht war er auch nicht sicher, ob sie ihm zugehört hatte. Sie bemerkte seinen Blick.
»Klingt gut«, sagte sie in ihrem holprigen Englisch. Blies noch einmal in ihre Tasse. »Sie haben noch nichts darüber erzählt, was die Einheimischen eigentlich von Ihrem Projekt haben. Von der reinen Natur kann man ja nicht leben,
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