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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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drückte es deutlich aus: nicht näher kommen. An seinem Hinterkopf wuchsen die Haare zu einem spitzen Schopf zusammen, es wirkte, als trage er eine coole Mütze, die er aus der Stirn nach hinten geschoben hatte. Seine Arme sahen aus wie zwei auf den Boden gestellte Rindenmulchsäcke.
    »Das ist ein junges Männchen mit seinem Harem«, flüsterte Farouk. »Wir gehen langsam weiter, die wollen wahrscheinlich runter zum Flussufer.«
    Unwillkürlich hatte ich den Atem angehalten. Die Gesichter der inzwischen verschwundenen Gorillas standen noch auf meiner Netzhaut, ihre ernsten Mienen schienen jede Einmischung in ihre Geschäfte zu verbieten. Wäre es nach mir gegangen, hätte man jetzt umkehren können. Die Giulianis aber hatten Feuer gefangen. Sie schraubten hastig ihre Kameras auf die Stative, Farouk nahm eines davon an sich, drückte mir das andere in die Hand. Die Mücken hatten Verstärkung bestellt und erhalten. Oda Giuliani zog ihr Mückenspray aus der Tasche, aber Farouk, der seine Augen überall hatte, wedelte verneinend mit der Hand. Verboten. Sie verstand, steckte es wieder ein.
    Am Flussufer angelangt, winkte Farouk uns heran. Pfadfindergleich scharte sich die Gruppe zum Halbkreis. Farouk sagte in eindringlichem Flüsterton:
    »Die Gorillas wissen, dass wir hinter ihnen sind. Der Chef wird nach uns sehen. Keine Angst, er sieht bloß nach. Dann müsst ihr schnell sein mit den Kameras. Und bitte nicht anstarren, das kann er nicht leiden. Guckt einfach auf seine Füße, okay?«
    Mein Herz meldete sich auf einmal ganz deutlich. Es pumpte mit bemerkenswerter Stärke Blut durch meinen ganzen Körper bis in meine Ohren hinein. Ich würde den Gorillamann sicher nicht anstarren, und wenn er einen Handstand machte. Ich hoffte sehr, dass die Gorillas, die mir aus der Distanz von fünfzig Metern schon ziemlich groß vorgekommen waren, meine friedlichen und ökologisch korrekten Absichten erkennen konnten.
    Wir setzten uns in Bewegung. Auf dem Fluss lagen Hunderte großer Seerosenblätter, die meisten faulten vor sich hin, Blüten waren keine da. Libellen hüpften in einem von der Sonne angeheizten Rhythmus auf und ab. Zikaden sandten gedehnte Morsestrophen in den summenden Hintergrundton hinein, der über dem Wasser lag. Farouk stapfte geräuschvoll am Ufer entlang. Man brauche nicht leise zu sein, hatte er uns instruiert. Besser, die Gorillas wüssten, wo wir uns aufhielten, damit es keine Überraschungen gab. Er winkte den Giulianis, dicht aufzuschließen. Ich wurde angewiesen, die Filmkamera auf dem Stativ schon mal auf Stand-by zu schalten. Ich tat es, die Diode blinkte neben meinem Ohr, als nehme sie an der allgemeinen Aufregung teil. Fox hielt sich am Schluss der Gruppe, deckte den Rückzug. Ich schaute wieder nach vorn, und da kam er.
    Der Gorilla. Er trat mit ausgesprochener Majestät aus dem hohen Gras heraus, ein grauer Kopf auf mächtigen Schultern, das Gesicht eine Totenmaske. Niemand sagte ein Wort. Der Gorilla starrte uns an, die Arme auf den Boden gerammt, mit Fäusten so groß wie Vollkornbrote, und wir starrten ihn an. Alle. Das schoss mir nach zwei Sekunden durch den Kopf, weil ich ihm nämlich direkt in die Augen starrte, und die anderen vermutlich auch. Man kann an einer solchen Erscheinung einfach nicht vorbeiblicken, wenn sie plötzlich mitten in der Wildnis vor einem steht. Das dachte der Gorilla wahrscheinlich auch, denn er starrte regungslos zurück, aus dunklen, unter dicken Wülsten dicht nebeneinanderliegenden Augenhöhlen, in denen keine Augen zu erkennen waren. Niemand dachte daran zu filmen, dazu waren alle zu perplex. Die Zikaden machten solange weiter, die Fliegen, Moskitos, Bienen und Libellen produzierten ihr endloses, erhitztes Summen für zwei weitere Sekunden, zwei sehr gedehnte Sekunden. Dann klingelte Fox’ Handy. Der Einzige, der reagierte, war der Gorilla. Er warf sich herum wie von der Tarantel gestochen und schmiss sich zurück in das hohe Gras, das hinter ihm zusammenschlug, als hätte es ihn nie gegeben.
    Als Nächster reagierte Fox. Er sagte: »Gottverdammte Scheiße.« Auf Deutsch.
    Das Handy klingelte weiter. Alle drehten sich jetzt um. Die Gesichter der Giulianis noch immer ungläubig, staunend, Farouks Miene wutverzerrt.
    »Dann geh doch ran, verdammt noch mal«, zischte er.
    Fox drückte den Knopf und hob das Handy ans Ohr. Nun sahen auch die Giulianis ziemlich enttäuscht aus, als hätten sie erst jetzt begriffen, was geschehen war.
    »Was? Das kann er nicht

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