Gabun - Roman
auch wenn sie noch so schön ist.«
»Sie haben völlig recht«, sagte Fox. »Wir beteiligen die Bauern natürlich, so gut wir können. Nicht nur, indem wir ihre Produkte kaufen, das sagte ich ja schon. Wir geben ihnen auch Arbeit bei der Aufforstung und später in den Plantagen. Wenn Umsiedlungen notwendig sind, wird Geld für Schulen und Krankenhäuser gespendet, bei Landerwerb oder Verpachtungen hilft die Regierung.«
Frau Dr. Decker sah hinter ihrem Tee hervor. »Umsiedlungen«, nickte sie. »Dafür gibt’s dann wohl eine Abfindung, oder?«
»Wir gehen davon aus, dass die Regierung sich an die Gesetze hält«, sagte Fox kühl.
Die Ärztin antwortete mit einem langen Blick.
»Was war das hier eigentlich früher für ein Dorf?«, wollte sie wissen. »Hier haben doch Leute gewohnt.«
»Zwei, drei Dörfer, glaube ich. Waldbauern. Sie haben illegal Holz gefällt. Als man das entdeckt hat, haben sie das Dorf verlassen.«
»Wohin hat man sie geschickt?«
»Na ja, sie haben eine andere Gegend zugewiesen bekommen, wo sie ihren Maniok und was immer sie wollen anbauen können. Das war auch sinnvoll. Brandrodung ist nun einmal keine ökologisch angemessene Art, Landwirtschaft zu betreiben. Die machen den Urwald damit kaputt. Das ging vielleicht vor ein paar hundert Jahren, als es kaum Bauern im Wald gab, aber der Primärwald geht dadurch ohne Gnade verloren, einige langsam wachsende Arten überstehen es nicht, die werden schlicht ausgerottet.«
Frau Dr. Decker nickte langsam. Eine pflanzliche Droge im Tee vielleicht, die gleichmütig und hitzeresistent macht. Sie nippte vorsichtig daran wie ein großer Vogel an der Tränke, ohne Fox zu antworten.
Man schickte sich an aufzubrechen. Während die anderen ihre Rucksäcke zusammenpackten, trat ich zu Wessing, der sich gerade einen doppelten Extrakaffee kochte, um sich für die anstehende Wache bei den Hütten zu stärken.
Er sah etwas zerzaust aus, vielleicht weil er sich mit zwei Dosen Bier gestern Abend hatte begnügen müssen. Ob er sich an das Rauchverbot halten würde, wenn die Gruppe außer Sicht war, durfte man bezweifeln.
»Du bleibst heute wieder da?«, sagte ich.
»Die Mutter der Kompanie, genau. Ich halte Wache. Passe auf, dass die Gorillas euch nicht die Schlafsäcke klauen.«
»Heute Nacht hatten wir Besuch, wollte ich dir noch sagen. Ein alter Mann, der saß dort drüben im Klo. Ich glaube, er hat unser Moskitonetz mitgenommen.«
»Aha.« Wessings Augen waren schmal geworden. »Und weiter?«
Ich erzählte ihm von meiner Begegnung, bemerkte, wie Wessing sich wieder entspannte.
»Was denkst du, Gustav, was wollte der?«
»Keine Ahnung. Bisschen spionieren. Harmloser Besuch.«
»Gibt es auch anderen? Besuch, der nicht harmlos ist?«
»Es gibt Wilderer. Die sind hinter Elefanten her, die Chinesen wollen Elfenbein. Das läuft eher in Kenia oder im Kongo, hier nicht. Außerdem würde ein Wilderer sich nicht mit dir im Klo treffen. Die wollen nicht gesehen werden.«
»Und wenn doch?«
»Dann kriegen sie Ärger.« Wessing grinste. »Mach dir mal keine Sorgen wegen des Alten, Bernd. Es gibt einige abgedrehte Leute in Afrika. Man hat hier keine Klapsmühle um die Ecke, wo man sie reinstecken kann. Sie laufen einfach frei herum. Das war vermutlich so ein Exemplar.«
Ich dachte an die gestochen scharfen Worte, die der Waldmensch gesprochen hatte, und an seine in jeder Hinsicht erdrückende Präsenz. Mit Verrückten hatte ich wenig Erfahrung, aber der Alte war mir nicht so vorgekommen, als habe er eine Behandlung nötig.
»Der hatte einen Schädel umhängen, ein halb verwestes Ding.«
Wessing wandte sich ab, nahm den gurgelnden Espressobereiter vom Gas.
»Ich sage ja, abgedreht. Auf jetzt, du musst gehen. Mach dich auf die Socken.«
Ich schloss mich der Gruppe an. Das scheußliche Ding, das der Alte um den Hals hängen hatte, war eindeutig ein Schädel gewesen, aber kein menschlicher Schädel, dazu war er viel zu klein gewesen. Dennoch hatten die versumpften Augenhöhlen etwas Menschliches gehabt. Ein Affenschädel.
Wir rasteten am Waldrand, wo das Grasland begann. Die Morgensonne ließ die Spitzen der Halme in der flimmernden Hitze verschwimmen, darüber lag eine opake Schicht flüssiger Luft, durchschwommen von aufsteigenden Insekten, die sich darin auflösten, als würden sie verbrennen. Ihr Summen stand in der Senke wie das Geräusch eines enormen Transformators. Giuliani nuckelte an seiner Flasche Evian. Drei waren noch für ihn da. Wir
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