Gabun - Roman
Safttüte in den Plastiksack für Wertstoffmüll und starrte ins Leere.
Ich verabschiedete mich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Saffkin zu Extratouren neigte oder dass ihm etwas passiert war, aber etwas ging hier vor. Olsons ungehemmte Barbarei erschien mir in diesem Moment als Signal für eine Veränderung im »Park«. Mir wurde klar, dass er keine Angst vor den Konsequenzen gehabt hatte. Er dachte, er kann machen, was er will. Ich hatte ja kaum Erfahrung mit Kriminalität. Aber ich begann zu begreifen, was es bedeutet, von solchen Leuten beschützt zu werden.
Und Saffkin? Wenn er sich hier irgendwo schlafen gelegt hatte, würde er schwer zu finden sein, aber möglicherweise handelte es sich um einen sehr langen Schlaf.
Um es kurz zu machen, Saffkin wurde nicht gefunden. Wessing kam unverrichteter Dinge zurück. Saffkin könne, meinte Wessing, bei dieser Hitze nicht zehn Kilometer gegangen sein. Wir suchten das Camp noch einmal gemeinsam ab, drehten jeden Stein um, ohne Ergebnis.
Bei einer rasch zusammengerufenen Teambesprechung, bei der Olson wie zu erwarten fehlte, teilte uns Fox die Agenda mit: Er werde nach dem Abendessen die Polizei verständigen, wenn Saffkin bis dahin nicht aufgetaucht sei, mit den Gästen habe er bereits gesprochen. Die Giulianis seien nervös, überlegten, ob sie abreisen sollten. Eine Katastrophe. Nur die Ärztin habe gemeint, sie wolle bleiben, vielleicht würde sie am Ende unser einziger Gast sein.
Ich trottete zu meiner Hütte. In meinem Inneren war noch keine Ruhe eingekehrt. Ich sah dauernd Felicité vor mir. Von dem geilen Olson bedrängt, für den sie wahrscheinlich nur eine weibliche Ausgabe seiner Spezies darstellte, die ihm gerade verfügbar schien. Ich hatte mich wie ein kleiner Junge verhalten. Farouk musste mir zeigen, was ein Mann in solch einer Situation tut. Selbst wenn ich eine Pistole gehabt hätte – ich ließ offen, was ich dann getan hätte. Es wäre vielleicht noch viel schlimmer gewesen, dazustehen, eine Waffe in der Hand, und es nicht fertigzubekommen, auf Olson zu schießen.
Noch eine halbe Stunde, dann musste ich bei den Vorbereitungen für das Essen helfen. Ich setzte mich auf das Feldbett, die Tür ließ ich offen, um Luft hereinzulassen. Mein Fuß stieß gegen den eingepackten Fetisch, der unter dem Bett seinen Platz bekommen hatte. Ich beugte mich hinunter. Die Ameisen strömten ein und aus, sie hatten inzwischen Löcher in die Plastiktüte genagt. Ich hinderte sie nicht daran, ihre Arbeit beschleunigte den Verfall, sie verkürzte die Frist, an deren Bedeutung ich nicht glauben wollte. Du musst ihn behalten, bis alles verwest ist, hatte Felicité gesagt. Eigentlich, fiel mir ein, hätte ich das Ding ins Wasser hängen sollen, um die Verwesung voranzutreiben. Aber ich wollte nicht erleben, dass es womöglich eine Stunde später, mit einem Kranz aus Butterblumen verziert, wieder in meiner Hütte lag. Ich sagte es schon, ich war ziemlich durcheinander.
Ich saß auf meinem Bett und fasste einen Entschluss: Ich würde kündigen. Mit der nächsten Einkaufstour würde ich nach Libreville zurückfliegen. Vielleicht gab man mir genug Geld für ein Ticket nach Hause, immerhin hatte ich einige Zeit mitgearbeitet. Ich hatte mir durchaus Mühe gegeben. Aber ich war zu der Erkenntnis gekommen, dass ich für diese Art Arbeit nicht taugte. Farouk hatte mit seiner Feststellung recht gehabt: Ich war feige. Das hatte mir bisher nicht viel ausgemacht, nun schämte ich mich dafür.
Felicités irrer Blick stand mir wieder vor Augen. Als Olson ihren Kopf gegen die Wand drückte. Sie würde mir mein Verhalten nicht verzeihen. Ich verzieh es mir selber auch nicht. Ich starrte auf die roten Ameisen, die in die Tütenkugel hinein- und herausströmten. Nein, eine Ameise war ich nicht. Damit hatte Farouk nicht recht gehabt. Eine Ameise hätte sich in Olson verbissen, die wäre ohne zu zögern in den Tod gegangen. Ihr Programm sah Feigheit nicht vor, dazu musste man schon ein Zentralnervensystem besitzen.
Ich erhob mich. Starrte auf die Eingangstür meiner Hütte, auf die schön gemaserten Dielen aus Tropenholz. Unwillkürlich fühlte ich nach dem Diamanten in meiner Hosentasche. Ich nahm mir vor, ihn zu spenden. Es war ein Blutdiamant. Er würde mir kein Glück bringen. Ich würde ihn für die Zukunft der Lodge spenden, für die Weiterfahrt der Arche Noah, von der ich gerade dabei war abzumustern. Der Diamant sollte einen Beitrag leisten für eine bessere Welt. Das war
Weitere Kostenlose Bücher