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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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vermisst werde und dass er umgehend die Behörden verständigen müsse. Die Polizei werde vermutlich morgen eintreffen, um eine Untersuchung einzuleiten. Man könne nicht mehr anders handeln, alle Möglichkeiten seien ausgeschöpft. Er bedaure sehr, dass den Gästen derlei zugemutet werde, natürlich sei der Aufenthalt in der Lodge ab dem heutigen Tag kostenfrei. Alle Leistungen würden auch weiterhin angeboten, so lange, bis der »Park« wieder reibungslos laufe.
    Die Giulianis flüsterten daraufhin miteinander, dann teilte Vern Giuliani Fox mit, sie hätten beschlossen, morgen abzureisen. Fox wies sie darauf hin, dass sie sich für die Vernehmung bereithalten müssten, eine Abreise vorher sei leider nicht möglich. Man müsse alle Eventualitäten bedenken. Möglicherweise bestehe auch Gefahr für andere Gäste, deshalb sei erhöhte Aufmerksamkeit geboten.
    Beim Essen herrschte nach dieser Mitteilung bedrücktes Schweigen. Ich stand auf und ging an der Tafel entlang, um nachzuschenken. Es gab einen kalten Chablis, die Flaschen holte ich aus zwei bereitstehenden Kühlern. Nachdem ich allen außer Wessing und Olson die Gläser gefüllt hatte, stand De Vries auf und hob sein Glas.
    »Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, Robert«, sagte er. »Ich bedaure die Lage, in die ich Sie indirekt damit gebracht habe, dass ich Alexander Saffkin hierher eingeladen habe. Ich habe zwar keine Ahnung, wo er sich befindet, aber ich bin sicher, alles löst sich auf und findet eine Erklärung. Als kleinen Ausgleich für die Unannehmlichkeiten möchte ich Sie und alle Ihre Gäste für eine Woche auf meine Farm in Namibia einladen, falls Sie Ihren Urlaub hier unterbrechen müssen oder falls Sie einfach nur Lust dazu haben sollten, wann immer das sein sollte. Ich erstatte Ihnen natürlich auch den Flug dorthin.« De Vries wandte sich an Fox, das Glas in der Hand. »Und Sie, Robert, würde ich gerne so bald wie möglich als Berater für diese Farm gewinnen. Ihr Projekt hat mich beeindruckt. Auf Ihr Wohl!«
    Fox bedankte sich. Auch im Namen der Gäste, wie er sagte. Er tat es sehr förmlich. Wir tranken einander zu und widmeten dann unsere Aufmerksamkeit dem Essen. Ze Zé hatte den Lauch mit Ingwer und Zitronengras blanchiert. Das Filet war auf dem Lauchbett zart geblieben, die Aromen von Wein und Fisch ergänzten sich perfekt. Frau Dr.   Decker saß mir diesmal gegenüber. Wir befanden uns am Ende der Tafel neben Wessing und Olson, der seinen Fisch mit der Miene eines rastenden Kopfgeldjägers in sich hineinstopfte. Wessing warf mir ab und zu einen konzentrierten Blick zu, allerdings ohne zu zwinkern. Er behielt alles ringsum im Auge, vermutlich war Olsons psychotischer Schub noch nicht ganz abgeklungen.
    Der Platz neben mir, es wäre derjenige Felicités gewesen, war frei geblieben. Weiter oben am Tisch saßen die Giulianis mit De Vries und Fox. De Vries unterhielt sich halblaut mit den Giulianis über seine Farm, sie machten den Eindruck, als wären sie schon halb überredet, ihn zu besuchen. Mir gegenüber hob Frau Dr.   Decker ihr Glas mit Mineralwasser und trank mir zu.
    »So leben wir alle Tage«, sagte sie.
    Mit diagnostischem Interesse betrachtete sie den mampfenden Olson, dann wandte sie sich wieder der Gemüsebeilage auf ihrem Teller zu.
    »Was haben Sie noch vor im Leben, Herr Jesper?«, fragte sie mich unvermittelt, als ich eben an meinem Chablis nippte. Fast hätte ich mich verschluckt. »Werden Sie Ihre Arbeit mit den Ameisen fortsetzen?«
    Ich zuckte die Achseln. »Vielleicht. Ich weiß nicht, es ist ja nicht besonders aufregend.«
    »Tun Sie’s«, sagte sie. »Ich hätte auch lieber so etwas gemacht. Wenn ich mir alles überlege, meine ich.«
    Das hielt ich für höfliches Geplauder. Ich war momentan nicht in der Laune, mir tantenhafte Ratschläge geben zu lassen.
    »Sie hatten doch bestimmt einen spannenden Beruf«, sagte ich. »Außerdem war es –«, ich suchte nach dem richtigen Ausdruck und fand ihn nicht, »also, es war doch wichtig, Leuten zu helfen, die in Not sind?«
    Schon während ich das sagte, fand ich es unerträglich.
    Frau Dr.   Decker schob ihre Gabel langsam unter ein paar Streifen Lauch. Die Bewegung stoppte, als könne sie nicht gleichzeitig essen und nachdenken.
    »Ja«, sagte sie. »Sicher. Es war wichtig. Wenn ich es nicht gemacht hätte, hätte es jemand anderer gemacht.« Die Gabel blieb auf dem Teller, die Spinnenfinger verharrten noch einen Moment. »Aber es hat mich auch zermürbt.«
    Ich

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