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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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davon und ich wäre wieder ausgewichen. Sie sah mich gleichmütig an, mit dem uralten Blick eines Marabu. Ich nickte ihr zu, verließ die Tafel.
    Vor Felicités Hütte blieb ich stehen. Nichts zu hören. Ich klopfte an ihre Tür, ohne nachzudenken, um den Mut nicht zu verlieren, der mir eben zugewachsen war. Es kam keine Antwort. Mit dem Rest meines Schwungs öffnete ich die Tür. Felicité saß auf ihrem Feldbett und hatte ihren Laptop auf dem Schoß.
    Blickte auf.
    »Bern’«, stellte sie fest.
    Sie hatte nur ein T-Shirt und einen Slip an.
    »Entschuldige«, sagte ich. »Ich –« Durch meinen Kopf rasten mit hoher Geschwindigkeit ein paar betuliche Wendungen, dann tauchte der Marabu-Blick von Frau Dr.   Decker vor mir auf, und ich sagte: »Ich wollte mal nach dir sehen.«
    Ich hielt aus, was ich gesagt hatte, und vor allem, was ich erwartete. Es kam ganz anders. Felicité lächelte. Ihr Gesicht war weich. An ihrer linken Wange war ein Kratzer von der Wand des Klohäuschens, sonst sah man ihr nicht das Geringste an.
    »Das ist nett«, sagte sie. »Sehr nett von dir.«
    Sie sah mich noch immer an. Ihre nebeneinandergestellten Füße mit den kleinen schimmernden Nägeln auf dem Bett sahen sehr hübsch aus.
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Ich habe mich vorhin ziemlich blöd benommen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Du bist dageblieben, obwohl du Angst hattest.«
    »Allerdings«, sagte ich. »Angst hatte ich.«
    Ich warf einen Blick in den Raum. Felicités Hütte machte einen aufgeräumten Eindruck. In dem offenen Schrank lagen gefaltete Wäschestücke aufeinander, ein paar Sachen hingen auf Bügeln an der Wand. Fotos an den Wänden, eine kleine Statue aus schwarzem Holz stand in der Fensteröffnung. Felicités Laptop summte vor sich hin.
    »Arbeitest du?«
    »Ich suche nach dem Schwein. Der hat genug Spuren hinterlassen.«
    »Olson?«
    »Ja.«
    »Hast du noch was über ihn gefunden?«
    »Einiges. Über ihn, über De Vries und auch was über Saffkin.«
    Sie sah mich über den Rand des aufgeklappten Laptops an. Freundlich, schwesterlich. Anscheinend trug sie mir meine Feigheit nicht nach, das erleichterte mich ein wenig. Wer erwartet schon Tapferkeit von einem Schaf.
    »Ich geh dann mal.«
    Mein Gott, dachte ich, da ist es, das Betuliche, ich kann nichts dagegen machen, früher oder später tropft mir so was aus dem Mund.
    »Danke, Bern’. Jeder kämpft auf seine Art, okay?«
    Ich nickte ihr zu, wandte mich um. Als ich die Tür schloss, hörte ich die Tasten ihres Notebooks klappern.
    Wenn das meine Art zu kämpfen war, dann würde ich es auf dem Gebiet nicht weit bringen, dachte ich auf dem Weg zur Küche. Nachträglich prüfte ich noch einmal Felicités Gesichtsausdruck. Auf Spuren von Häme oder Verachtung, Mitleid. Ich bin gut im Nachprüfen von Gesichtern. Leas Gesichtsausdruck zum Beispiel konnte ich mit neunzig Prozent Wahrscheinlichkeit deuten, vor allem kurz vor einem ihrer Ausbrüche. Ich sah es an ihren Augen, die tief und dunkel wurden, und an ihren Lippen, sie fingen an zu zittern. Es hatte etwas Erotisches an sich gehabt, zumindest bei ihr. Das Erkennen von Wutausbrüchen hatte ich schon früh im Leben trainiert, am besten gelang es mir bei Frauen. Meine Mutter war ein ideales Übungsobjekt gewesen.
    Nein, Felicité hatte mir keine Schuldgefühle vermitteln wollen. Anständig von ihr. Sie traute mir aber auch nichts zu. Vielleicht war das noch demütigender, als wenn sie zornig gewesen wäre. Mein Entschluss stand fest. Ich würde den »Park« verlassen.
    Abends gab es Pangasiusfilets auf einem Lauchbett mit grünen Fettuccini in Limettensauce. Olson und Wessing saßen am Tischende, Olson hatte eine trotzige Barrikade aus Bierdosen um sich aufgebaut. Unbesiegt, gerüstet für eine Belagerung. Er saß da mit den Pranken auf dem Tisch, eine Statue aus Beton, aus sehr reizbarem Beton. Wessing wich nicht von seiner Seite, leerte eine Dose nach der anderen mit ihm. Bier, nahm ich an, wirkte sich dämpfend auf Olsons Frontalhirn und damit auf seine Gewaltbereitschaft aus, und Wessing sorgte dafür, dass er genügend davon bekam. Felicité fehlte in der Runde. Sie wurde von Fox vor Beginn der abendlichen Ansprache entschuldigt, sie fühle sich nicht wohl. Mehr erzählte er nicht. De Vries’ Miene konnte ich nicht entschlüsseln. Er machte einen angespannten Eindruck, zum ersten Mal erlebte ich ihn so. Er wirkte ungeduldig, als warte er auf etwas.
    Fox eröffnete die Tafel mit der Mitteilung, dass Saffkin

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