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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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ein Interesse daran haben, dass mein Geschäft mit Saffkin nicht zustande kommt.«
    »Was für Leute?«
    »Wollen Sie das wirklich wissen, Herr Jesper? Ich denke, je weniger Sie wissen, desto besser ist es für Sie. Sie brauchten eigentlich nicht einmal zu wissen, was in dem Beutel ist. Vielleicht versuchen Sie einfach, es wieder zu vergessen.«
    »Klar. Weil es gefährlich ist.«
    »Was heißt gefährlich? Wenn der Fuchs in den Hühnerstall geht, ist das eine gefährliche Situation. Wenn ein Huhn hineingeht, verzeihen Sie mir den Vergleich, dann schaut niemand hin.«
    Ein Huhn, dachte ich. Wieso sprach er von einem Huhn? Ich sah für einen Moment den Alten in Libreville mit seinem Huhn am Straßenrand sitzen, die sieben Muscheln am Boden liegen. Durch die offene Tür starrte der rote Mond in meine Hütte. Aber zehntausend Dollar – in dem Augenblick, in dem ich sowieso gehen wollte.
    »Wo ist das überhaupt?«, sagte ich. »Bandundu?«
    »Bandundu liegt am Kasai. Das ist ein Fluss, der in den Kongo mündet.«
    »In den Kongo.«
    Ich muss den Satz in dem Ton gesprochen haben, in dem man sagt: Keine Chance. Oder: Nie wieder. De Vries lachte leise.
    »Erschrecken Sie nicht, Herr Jesper. Die Demokratische Republik Kongo, das ist in dieser Ecke hauptsächlich Wald, ab und zu eine größere Ansiedlung. Da ist nichts, was Ihnen Sorgen bereiten könnte. Sie steigen von einem Flugzeug in ein anderes um, das passiert direkt auf einem kleinen Flughafen. Dann fliegen sie ein Stück durch die Nacht und gehen nach der Landung einfach in ein Hotel. Es ist ein Hotel, in dem auch Ausländer verkehren. Sie fallen gar nicht auf. Dort geben Sie sich zu erkennen, und eine bestimmte Person bekommt den Beutel, eine Person, die ich vorher telefonisch informiert habe und die Sie erwartet. Einmal Paketdienst für zehntausend Dollar, Herr Jesper.«
    Ich raffte im Dunkeln meine Sachen zusammen, stopfte sie in die schicke Sporttasche, mit der ich im »Park« angekommen war. Eigentlich hatte ich bis jetzt noch gar keine Entscheidung getroffen. Ich verhielt mich einfach so, wie man es von mir erwartete. Wie De Vries es von mir erwartete. Ich hatte seinen Erwartungen nichts entgegenzusetzen. Er war höflich, er hatte Manieren, er versprach mir viel Geld, und er wollte etwas von mir. Mein Gästereflex eben. Lea wäre in dieser Hinsicht mit mir zufrieden gewesen.
    Ich gebe zu, während ich schmutzige und saubere Sachen zusammen in meine Sporttasche stopfte, dachte ich einen Moment lang daran, bei ihr in der Bleibtreustraße aufzukreuzen. In zwei, drei Tagen. Nach meiner Rückkehr, wenn alles vorbei sein würde, mit dem Rest der zehntausend Dollar in der Tasche und mit dem Diamanten. Nur einen Moment lang dachte ich an das verblüffte Gesicht, das sie machen würde, an den Diamanten in ihren kleinen Kinderhänden. Ein paar Stunden nur, hatte De Vries gerade gesagt. Diese paar Stunden hätte ich sonst einfach bloß verschlafen und dabei schlecht geträumt, und anschließend hätte ich dabei geholfen, das Frühstück vorzubereiten.
    De Vries stand vor meiner Hütte, das Gewehr umgehängt, seinen Panamahut nach hinten geschoben. Die Zikaden schnarrten zustimmend, seine Gestalt zeichnete sich gegen das Mondlicht ab. Selbst Hemingway hätte sich ihm ohne Zögern anvertraut. Als Letztes steckte ich das »Herz der Finsternis« in die Tasche. Ich wollte keine Spuren zurücklassen.
    Zusammen gingen wir im Dunkeln über das Gelände zum Flugfeld hinüber. Ich versuchte, nicht an die Puffottern zu denken, die meiner Information nach mit Vorliebe nachts unterwegs waren. De Vries jedenfalls schlenderte durch das kurz gehaltene Gras, als gehe er über seinen Rasen zu Hause. Die Hütten der Lodge lagen im Dunkeln, nirgends ein beleuchtetes Fenster. Dennoch war ich davon überzeugt, dass De Vries Wessing und Olson in seine Pläne eingeweiht hatte. Was immer er im Schilde führte, ich glaubte ihm. Obwohl ich Saffkins Schuh in der Hand gehalten hatte. Es hätte nicht zu ihm gepasst, jemanden umzubringen, mit dem er am Tag vorher Champagner getrunken hatte.
    Die Zikaden machten gedehnte Mitternachtsgeräusche. Meine Stiefel waren nass von den Tautropfen, die sich auf dem Gras gebildet hatten. Wir näherten uns dem Flugzeug, es stand am Beginn der Piste mit hochgereckter Nase im Mondlicht. Ein abflugbereites Rieseninsekt.
    Mit dieser Unternehmung, sagte ich mir, sollte mein afrikanisches Abenteuer sein Ende finden. In ein paar Minuten wären wir in der Luft, und die

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