Gabun - Roman
Wir sind oben. Das hast du klasse gemacht, Bern’«, sagte sie.
Ich fühlte den Kuss, und ich fühlte ihn nicht. Ich war noch immer dabei zu überleben. Ich? Hatte ich etwas gemacht?
»Und wie kommen wir wieder runter?«, fragte ich und fügte an: »Wo sind wir überhaupt?« Als wäre die erste Frage nicht schon schwer genug zu beantworten gewesen. Ich sehe immer alles negativ, ich weiß.
»Keine Ahnung«, sagte Felicité und steckte sich eine Zigarette in den Mund. Gleichmütig, fand ich, sehr gleichmütig. »Willst du eine?«, fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. Sie zündete ihre Zigarette an und nahm einen Zug, sah mich kurz von der Seite an, als sie den Rauch ausblies.
»Wir versuchen, die Bahnlinie wiederzufinden«, sagte sie dann. »Die kann nicht weit sein. Vielleicht sind wir schon fast in Katanga.«
»Wo um Himmels willen ist Katanga?«
»Im Südosten, an der Grenze zu Tansania.«
»Und wo sollen wir landen?«
»Wir fliegen die Bahnlinie entlang. Sicher finden wir einen Platz, wo wir landen können. Irgendeine Ansiedlung, wo Leute wohnen. Wir haben es geschafft zu fliegen. Das Landen kriegen wir auch noch hin.«
Ich hätte jetzt weiterfragen können, was wir an diesem unbekannten Ort nach der erfolgreichen Landung machen würden, falls wir es überhaupt schafften zu landen, aber ich wollte vor Felicité nicht dauernd als Bedenkenträger auftreten. Also hielt ich den Mund und versuchte, das Flugzeug in der Luft zu halten. Immerhin konnte ich das mittlerweile, die Maschine reagierte auf meine vorsichtigen Versuche, die Seitenruder zu betätigen. Felicité fasste meine Schulter und rüttelte freundlich daran, eine hübsche Geste, fand ich, nicht ohne zärtliche Vertrautheit. Ich begann, mich ein klein wenig zu entspannen, das Eis in meiner Brust schmolz von den Rändern her, vor allem an meiner rechten Schulter, die Felicité eben wieder losgelassen hatte.
»In welcher Richtung müssen wir die Eisenbahn suchen, was denkst du?«
Sie zuckte die Achseln. »Wir haben ein paar Kurven gedreht. Ich weiß es nicht.«
»Und was ist mit dem Sprit?«, fiel mir ein. »Gibt es hier eine Tankanzeige?«
Felicité beugte sich über die Armaturen. Es gab viele Instrumente, viel mehr als in einem Auto. Sie leuchtete sie mit der Feuerzeugflamme ab.
»Hier«, sagte sie schließlich und klopfte mit dem Fingernagel ihres kleinen Fingers auf eines der glimmenden Instrumente, das mit »Fuel« bezeichnet war. Der Zeiger befand sich im unteren Viertel. »Noch einiges drin.«
»Wieso wollten die dann tanken?«
»Weiß ich auch nicht. Vielleicht gibt es dort, wo sie hinwollten, keinen Sprit mehr. Jedenfalls haben wir noch etwas Reserve.«
»Und das Navigationssystem? Was ist mit dem?«
Mir war eingefallen, dass Wessing während des Fluges davon gesprochen hatte. Ich hatte nur keine Vorstellung davon, wie das in einem Flugzeug funktionieren sollte. Man konnte schlecht eine Adresse eingeben, oder etwa doch?
Nach einiger Suche fanden wir einen kleinen Bildschirm, der auf Knopfdruck Gradzahlen anzeigte, Länge und Breite also. Damit konnten wir nichts anfangen, wir hatten keine Karte, um die Position zu vergleichen. Wir fanden auch keine, obwohl wir alles durchsuchten, was an Papieren im Cockpit herumlag. Vielleicht hatte De Vries sie in seiner Jacke gehabt.
»Ich schlage vor, wir fliegen einfach nach Süden oder Osten«, sagte Felicité.
»Wo ist Osten?«, fragte ich. »Gibt’s hier einen Kompass?«
Felicité zuckte die Achseln. Wir suchten die Armaturen ab, aber wir fanden keinen.
»Man könnte nach den Sternen fliegen«, sagte Felicité. »Wir sind knapp unterhalb des Äquators. Ich weiß nicht, ob man das Kreuz des Südens sehen kann, es müsste direkt über dem Horizont liegen.«
Sie machte eine Grimasse dazu. Das Kreuz des Südens. Überflüssig, einen Kommentar abzugeben. Felicité warf ihre Zigarette aus dem Fenster. Der Fahrtwind riss sie in die Nacht hinaus.
»Bern’«, sagte sie dann ruhig, »ich glaube, wir brauchen einfach ein bisschen Glück. Wir fliegen geradeaus weiter, ich habe das Gefühl, das kommt hin. Bei Tagesanbruch sehen wir, wohin wir gekommen sind.« Sie sah auf ihre Uhr. »In einer Stunde etwa.«
Was sollte ich darauf antworten. Ich wich dem Gedanken an den Urwald unter uns aus, der Vorstellung von wimmelndem Leben in jeder Größe, immer hungrig, das in den diversen Etagen der Nahrungspyramide auf uns wartete. Gut möglich, dass wir ein paar hundert Kilometer weglosen Wald vor
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