Gaelen Foley - Amantea - 01
war möglicherweise noch immer dabei, ihr zu folgen.
Jetzt wünschte sie sich, sie hätte kein Wort gesagt.
Wenn der Fremde ihr nun nicht hinterherschlich, wie sie es befürchtete? Oder wenn er überhaupt keine feindseligen Absichten gegen sie hegte? Sie kannte die Grausamkeit der
Soldaten ihres Vaters. Das markante Gesicht des Fremden hatte so einen stolzen Ausdruck gehabt, dass allein der Gedanke, der Mann könnte nun gedemütigt werden, sie schmerzlich berührte.
Ihretwegen würde er nun vor den Augen der Leute abge- führt werden. Sein Wille würde gebrochen und sein kraft- voller Körper durch Foltern geschunden. Etwas in seinen dunklen Augen verfolgte sie selbst jetzt noch – eine eigen- artige, rätselhafte Mischung aus Melancholie, Hunger und Zorn. Warum hatte er sie so angesehen?
Die Antwort darauf kannte sie nicht. Sie wusste nur, dass sie versuchen musste, Domenico so rasch wie möglich loszuwerden und zu den Wachen zu gelangen. Sie wollte sichergehen, dass sie nicht zu rau mit ihm umgingen, wenn sie ihm Fragen stellten. Sobald sie herausgefunden hatten, was er beabsichtigte, wollte sie seinen Namen erfahren. Wenn er keine Bedrohung darstellte, würde sie sich darum kümmern, dass sie ihn seines Weges ziehen ließen.
Domenicos Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
„Allegra, am liebsten würde ich Sie übers Knie legen. Und Ihre Leibwächter werde ich in den Kerker werfen lassen, da sie so schändlich ihre Pflicht vernachlässigt ha- ben. Nein, noch besser: Ich werde sie öffentlich auspeit- schen lassen“, erklärte er. Er schloss das Tor zum Garten auf. „Auspeitschen – das ist gut.“
„Machen Sie sich nicht lächerlich. Das werden Sie nicht tun“, gab sie zurück. „Wie können Sie etwas so Barbarisches überhaupt in Betracht ziehen?“
Er blieb stehen und sah sie von oben herab an. Eine Faust hatte er in die Hüfte gestemmt. „Allegra, Sie scheinen nicht zu verstehen. Wenn es den Rebellen gelungen wäre, Sie zu entführen, wären sie in der Lage gewesen, Ihren Vater zu erpressen. Wenn ich Ihnen nicht gefolgt wäre, hätte wer weiß was geschehen können.“
Domenico hielt das Tor offen und wies sie mit eleganter Geste an, vor ihm einzutreten.
Sie spürte den scharfen Blick seiner grünen Augen, die sie genau musterten, als sie an seinem schlanken, sehnigen Körper vorbeiglitt. Sie tat ein paar Schritte in den Garten und wandte sich dann unvermittelt zu ihm um.
„Domenico“, sagte sie. „Woher wussten Sie, dass ich hinausgegangen bin?“
Er schloss das Tor mit dem Schlüssel, den Monteverdi ihm übergeben hatte, und steckte ihn ein. Ihre Frage beantwortete er jedoch nicht.
„Als ich den Ballsaal verließ, wollte ich mich in meine Räume zurückziehen und ...“ Sie beendete den Satz nicht.
Er drehte sich zu ihr um und lächelte sie an. „Sie haben mich ertappt.“
Aufmerksam schaute er sie an. Sein blondes Haar schimmerte im Mondlicht.
Beunruhigt warf sie einen Blick auf den Palazzo und wandte sich dann ihm zu. „Das würde meinem Vater nicht gefallen“, sagte sie unsicher, obgleich sie genau wusste, dass für den Gouverneur Domenico einem Heiligen gleich- kam. Er war der Sohn, den ihr Vater niemals gehabt hatte.
„Machen Sie sich keine Sorgen“, erwiderte er glatt. „Ich habe die Türen zum Balkon verschlossen und alle Diener aus den hinteren Zimmern weggeschickt. Selbst den Wachen befahl ich, woanders hinzugehen. Sehen Sie, ich nahm mir die Freiheit, uns völlige Zweisamkeit zu verschaffen.“
„Wofür?“
„Nicht so misstrauisch, Allegra.“
Domenico nahm ihre Hand und führte sie an den schwach leuchtenden Gartenlaternen vorbei zum Lorbeer- baum. Er pflückte eine Blüte und reichte sie ihr. Dabei lächelte er und drängte sie sanft gegen den Baumstamm.
Allegra hielt die Blüte und wusste nicht so recht, was sie damit anfangen sollte. Am liebsten hätte sie sie weg- geworfen, als Domenico begann, ihren bloßen Arm zu streicheln.
„Kommen Sie, Allegra. Schon bald werden wir verheira- tet sein. Sie werden sich an meine Berührungen gewöhnen müssen.“ Er liebkoste ihre Wange mit den Fingerknöcheln.
„Welch vulgäre Äußerung!“ meinte Allegra. „Ich dachte, dafür halten Sie sich eine Mätresse.“
„Sie können mir glauben, dass eine Mätresse unnötig wird, wenn man eine so schöne Gattin, wie Sie es sind, bekommt. Heute Nacht möchte ich Sie nur küssen. Das ist nicht zu viel verlangt – oder?“ Er massierte mit den kräf- tigen Händen
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