Gaelen Foley - Amantea - 01
gezeichnet wirkten. Ihr Anblick tat ihm im Herzen weh. Ja, sie wa- ren gute, anständige Männer, die etwas Besseres als dieses kümmerliche Leben verdienten.
Sie konnten sich nun dafür entscheiden, ihm nicht zu glauben oder ihm zu folgen – allerdings war es endlich an der Zeit, ihnen seinen Vorschlag zu unterbreiten.
Er trat aus dem Schatten heraus und ging auf sie zu, wo- bei er flüchtig Moskitos beiseite schlug. Die vier begrüß- ten ihn und boten ihm die Rumflasche an, doch er lehnte kopfschüttelnd ab. Stattdessen steckte er die Hände in die Taschen.
„Männer“, begann er. „Ich habe euch etwas zu sagen. Es handelt sich um Amantea. Nun ... Es ist eine lange Geschichte, und es ist endlich an der Zeit, sie euch zu erzählen ...“
Lazar setzte sich ans Feuer und berichtete ihnen alles.
Er beobachtete, wie sich die Verblüffung nach kurzer Zeit in ihren Mienen zeigte. Jegliche Erschöpfung und Niedergeschlagenheit fielen von ihnen ab, als er ihnen seine Geschichte erzählte. Nach kurzer Zeit hatten sich an die hundert Leute um ihn versammelt, die ihm alle aufmerksam zuhörten.
Als er schließlich zu der Vendetta kam, derentwillen er seine Piraten ursprünglich nach Amantea geführt hatte, standen alle seine Getreuen um das Feuer und lauschten schweigend und mit angehaltenem Atem seinen Worten.
„Ich habe inzwischen eine Entscheidung getroffen“, sagte Lazar. „Ich muss zurück. Kommt mit mir, und wenn wir siegreich sind – und das werden wir, wenn wir zu- sammenhalten wie immer –, dann wird jeder von euch ein richtiges Haus von mir erhalten ...“
Das laute, donnernde Grölen und Jubeln der Männer ließ seine letzten Worte untergehen.
Sie ließen ihn nicht im Stich. Ungläubig schaute La- zar in die Runde. Ihm lief ein wohliger Schauer über den Rücken, als er daran dachte, wie es sein würde, rechtmäßig und wahrhaftig Herrscher zu sein. Doch dann sank ihm der Mut.
Ohne es mit Allegra teilen zu können, würde es bedeu- tungslos für ihn bleiben.
Eine Woche verging, und es war Allegra noch immer nicht gelungen, zu verkraften, was er ihr so kalt mitgeteilt hatte.
Er hatte sie verraten. Der engste Vertraute, den sie jemals gehabt hatte. Ihr Prinz und Pirat, ihr Seelenverwandter und ihr König. Die Insel mit der „Wolfshöhle“ war zwar ein tropisches Paradies, aber Allegra vermochte die Schön- heit der Strände und Wasserfälle, der blauen Lagunen und
der wilden Urwälder gar nicht aufzunehmen. Ihr war die ganze Zeit über schrecklich übel.
Zwei der angesehenen Ratsherren König Alphonsos tra- fen eine Woche später ein, aber auch da war Allegra zu gelähmt, um sich darum zu kümmern. Ihr fiel nur auf, dass die beiden Männer Lazar auf den ersten Blick er- kannten und vor Freude weinten, ihn endlich gefunden zu haben.
Monsignore Francisco, der Erzbischof, schien ein freundlicher, ernster Mensch zu sein. Aber der Premier- minister Don Pasquale mit den grauen Augen und der gebogenen Nase wirkte kalt, und sein Gesicht hatte den Ausdruck heimtückischer Schläue.
Allegra verstand sehr schnell, dass Don Pasquale sie für den Verrat, den ihr Vater angezettelt hatte, verachten würde.
Es war ihr gleichgültig. Sie blieb allein und sprach kaum mit jemand.
Kapitän Landau kam häufig, um bei ihr zu sitzen und sie etwas aufzuheitern. Er war liebenswürdig, galant, klug und aufmerksam, doch es war ihr nicht möglich, eine Unterhaltung mit ihm zu führen.
Wie hatte Lazar vorschlagen können, sie solle die Ge- liebte dieses Mannes werden und mit ihm das machen, was sie nur mit Lazar zu tun vermochte?
Das konnte er nicht ernst gemeint haben. Sie war fast in Versuchung vorzugeben, dass sie seinem Vorschlag ge- folgt war, damit er endlich wieder bemerkte, dass es sie noch gab, dass sie noch am Leben war.
Während der letzten Woche, ehe sie die Karibik verlie- ßen, traf nur noch ein Mann ein. Ein verschlagen ausse- hender Haudegen, den Lazar auf Amantea zurückgelassen hatte, um Domenico zu töten.
Warum Lazar überhaupt vorgehabt hatte, Domenico umbringen zu lassen, war Allegra nicht klar. Vermutlich nur deshalb, weil er ihn nicht mochte. Oder vielleicht war er zu dieser Zeit empört darüber gewesen, dass Domenico versucht hatte, ihr Gewalt anzutun. Eigentlich ziemlich widersinnig, wenn sie bedachte, was er selbst später bei ihr versucht hatte.
Der grob aussehende Verbrecher brachte Lazar eine Herausforderung von Domenico. Er lud den Piraten ein,
zurückzukehren, sich ihm zu stellen
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