Gaelen Foley - Amantea - 01
Kind unter ihrem Herzen, das sie nicht wollte – fallen lassen.
Sie hatte sich noch törichter als ihre Mutter verhalten. Wenigstens war König Alphonso ihrer Liebe wert gewesen.
Allegra fehlte auf einmal ihre Tante Isabelle. Sicher hätte sie gewusst, was sie, Allegra, tun sollte.
Ihre Besorgnis nahm zu. Wie konnte sie Nonne werden, wenn sie ein Kind gebar? Sie würde sich für den Rest ihres Lebens der Barmherzigkeit ihres Onkels und ihrer Tante ausliefern müssen und Schande über ihr Haus bringen. Doch das war noch um vieles besser, als Lazar um Hilfe zu bitten. Dann würde sie lieber sterben.
Wenn sie sich nun tatsächlich an Onkel Marc und Tante Isabelle wandte, würde der Ruf ihrer beiden Kusinen für immer befleckt sein. Denn lebten sie mit einer gefallenen Frau im selben Haus, würden sie von der Gesellschaft genauso verurteilt werden.
Allegra versuchte, ob ihrer hoffnungslos scheinenden Lage Ruhe zu bewahren. Es bestand noch immer eine kleine Chance, dass ihre monatliche Blutung doch noch eintrat. Sie betete und versuchte, die Krämpfe zu spüren, die sie zu dieser Zeit immer bekam. Aber Mitte August war noch immer nichts geschehen.
Günstige Winde trugen die Flotte mit hoher Geschwin- digkeit zur Mündung des Mittelmeers, wo sie von zwölf österreichischen Schiffen erwartet wurden. Diese beglei- teten sie bis zur Meerenge in einer der geschützten Buch- ten von Korsika gegenüber von Amantea. Dort warfen sie Anker.
Von diesem Moment an traf ein nicht enden wollender Strom von Besuchern ein, die alle kamen, um Lazar zu se- hen. Don Pasquale mit den Adleraugen überwachte alles mit größter Aufmerksamkeit.
Allegra hielt sich im Hintergrund. Während die Würden- träger dem neuen König kostbare Geschenke überbrach- ten, sich tief vor ihm verneigten und es nicht wagten, ihm in die Augen zu schauen, hielt sie sich verborgen.
Mit zunehmendem Elend beobachtete sie, wie Lazar al-
les so selbstverständlich entgegennahm, als wäre er solche Huldigungen gewöhnt.
Vielleicht wird er doch ein grausamer, tyrannischer Kö- nig, dachte Allegra. Sie hasste ihn – und sie liebte ihn. Sie gingen einander aus dem Weg, aber sie nutzte jede Gelegenheit, die sich ihr bot, aufmerksam jenen Mann zu beobachten, der sich so grausam an ihr gerächt hatte.
Lazar wirkte ernst und würdevoll. Er schien stets genau zu wissen, was er sagen und tun musste, und seinem ge- sammelten Blick blieb nichts verborgen. Die Linien seines Gesichts hatten sich vertieft und straften somit sein Alter von achtundzwanzig Jahren Lügen. Das Schwarz seiner Augen war so tief und undurchdringlich wie das Meer bei Nacht.
Er ließ alle, die zu ihm kamen, ehrfürchtig die Köpfe sen- ken. Schon musste er die Last seines Herrschertums füh- len. Doch sie würde ihn nicht erdrücken, dessen war sich Allegra sicher. Er war stark wie ein Fels in der Brandung.
Die Nacht vom dritten September war die letzte, die sie an Bord verbrachten. Etwa vier Monate waren seit dem Jubiläumsfest von Allegras Vater vergangen.
Es war ein langer Tag gewesen, denn der Strom der Besu- cher wollte nicht abreißen. Bevor Allegra schließlich ihre Kajüte aufsuchte, konnte sie deutlich die Anstrengung in Lazars Gesicht erkennen.
Die letzten der Würdenträger verließen gerade rück- wärts gehend und sich immer wieder verbeugend den Raum, ängstlich darum bemüht, nur keinen Fehler zu begehen und dem König nicht genug Achtung zu zollen.
Sobald sie verschwunden waren, stöhnte Lazar laut, sprang auf und goss sich ein Glas Brandy ein.
„Sie halten sich gut“, gab Allegra widerwillig zu. Sie hatten seit Tagen kein Wort miteinander gewechselt.
„Ich fühle mich wie ein Schauspieler“, murmelte Lazar. „Noch dazu wie ein unbegabter.“
Am liebsten hätte Allegra etwas Bitteres gesagt, brachte es aber nicht über die Lippen.
Sollte sie ihm versichern, wie stolz sie auf ihn war? Das brachte sie doch nicht über sich.
„Nein“, seufzte sie stattdessen. „Es ist alles Wirklich- keit.“
Lazar dachte einen Moment nach, während er geistes-
sabwesend den Brandy im Glas hin und her schwenkte. Als er einen Schluck trank, sah Allegra ihn sehnsüchtig an, denn sie musste auf einmal wieder an den Geschmack seiner Zunge nach einem Brandy denken.
„Ich würde mich wohler fühlen, wenn ich Clemente be- reits verhaftet hätte. Ein guter Kampf ist genau das, was ich jetzt brauche. Diese ganzen Höflichkeiten bringen mich allmählich zum Wahnsinn.“ Seufzend setzte
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