Gaelen Foley - Amantea - 01
höflich auf Distanz halten konnte.
Domenico Clemente war verhaftet und wartete auf ein Gerichtsverfahren wegen seiner Verbrechen gegenüber dem amanteanischen Volk.
Lazars Blick schweifte in die Ferne. Vergeblich hatte er sich darum bemüht, dem lebhaften Geplauder seiner Braut zu lauschen, das ihn so gar nicht interessierte. Aber so hatte er es schließlich gewollt.
Was die königliche Hochzeit betraf, so würde es eine große Inszenierung werden, die ihm schon jetzt wie eine gigantische Farce vorkam.
Einige Gäste flüsterten über seine Schweigsamkeit. Ei- nige vermuteten, dass er allgemein sehr zurückhaltend sei, andere meinten, dass er ein weiser Mann sei, die Höflinge argwöhnten, dass er nicht gerade glücklich über die ar-
rangierte Heirat sei. Die Damen hielten ihn meistens für geheimnisvoll.
Gelangweilt gähnte Lazar hinter vorgehaltener Hand. Am liebsten wäre er gegangen.
Bei jedem Glückwunsch rang er sich ein Lächeln ab und fragte sich, wie er das ein Leben lang durchstehen sollte, ohne eine Frau in seiner Nähe zu haben, die ihn wirk- lich verstand. Er redete sich ein, dass er es schon schaffen würde. Nun, er würde sich eben in die Arbeit stürzen und dort Trost finden. Es gab auf Amantea wahrlich genug zu tun.
Nachdem sie die Generalprobe für den nächsten Tag hinter sich gebracht hatten, stiegen alle in prunkvolle Kutschen, um ein spätes Abendessen im Herrenhaus des Herzogs von Mailand zu sich zu nehmen.
Während Lazar verärgert darauf wartete, dass die Prin- zessin und ihre Hofdamen endlich in die Kutsche stie- gen, blickte er auf die Kathedrale und fragte sich, ob ihn wohl der Blitz erschlagen würde, wenn er morgen am Al- tar stehen und so hohle Versprechungen vor Gott ablegen würde.
Es fiel ihm schwer, dem inhaltslosen Geplauder der Da- men in der Kutsche zu lauschen. Deshalb setzte er sich so hin, dass er aus dem Fenster auf die Landschaft schauen konnte.
Allegra fehlte ihm so sehr, dass es ihm sogar körperli- che Schmerzen bereitete. Sein Verzicht auf sie aus reiner Selbstlosigkeit machte ihm mehr zu schaffen, als er das ursprünglich angenommen hatte.
Als er irgendwann aus seinen melancholischen Gedan- ken in die Wirklichkeit zurückkehrte, bemerkte er, dass ihm die Landschaft, obgleich es dunkel war, auf eine unheimliche Weise bekannt erschien.
„Wo sind wir?“ fragte er, während ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief.
Als sie am Pass von D’Orofino ankamen, zog Mutter die kleine schlafende Anna auf ihrem Schoß an sich und lehnte sich in die samtenen Kissen zurück. „O je!“ sagte sie. „Wie wild die See tost! Zum Glück sind wir alle in Sicherheit.“
Lazar schlug mit der Faust gegen die Tür. „Kutscher, verdammt noch mal, halt an!“
Die Damen zuckten ob seines Fluchs erschrocken zusam-
men, während der Mann auf dem Kutschbock dem Befehl nachkam.
Mit klopfendem Herzen sprang Lazar hinaus und zog sein Schwert Excelsior. Er sah sich wie ein Wahnsinniger um. Doch es gab weder maskierte Männer noch stamp- fende Pferde, noch Schreie oder ein Gewitter. Es gab nur ihn, das schimmernde königliche Schwert und den Nacht- wind, der sanft durch die Bäume strich. Es hörte sich wie das Seufzen trauriger Geister an.
„Was ist los, Majestät?“ erkundigte sich jemand hinter ihm.
„Lassen Sie ihn“, erwiderte Don Pasquale voll kluger Einsicht.
Die Hofdamen flüsterten einander unsinnige Vermutun- gen zu.
Lazar ging einige Schritte von der Kutsche fort. Er hatte das Gefühl, dass ihm das Herz zerreißen müsste, als er auf die leere Straße blickte, wo seine Familie ermordet worden war.
An diesem Ort war nichts Ungewöhnliches, aber Lazar wusste, dass hier die Schlange des Todes auf die ihm ver- trautesten Menschen gewartet hatte. Der winzige Pfad, der durch das Gehölz neben der Straße führte, stach ihm wieder ins Auge, wie er das bereits vor sechzehn Jahren getan hatte. Wie magisch angezogen, betrat er ihn auch diesmal.
Überlebe und setze die Tradition der Fiori fort.
Trockene Blätter raschelten unter seinen Füßen, als er in den kleinen Wald ging, in den einmal ein Junge geflohen war, der vor Angst fast den Verstand verloren hätte. Kurz darauf stand Lazar schon am Rand des Kliffs, das zwei- hundert Fuß hoch war und wo der Wind so heftig blies, dass seine Jacke wild zu flattern begann.
Gedankenverloren starrte Lazar auf das aufgewühlte Wasser weit unter ihm.
Du armer kleiner Wicht, sagte er innerlich zu dem Jun- gen, der er einmal
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