Gaelen Foley - Amantea - 02
er das bezweifelte. Er konnte ihr Anweisungen ge- ben, und er würde sich auf diese Weise den Besuch bei dem stümperhaften Medikus sparen.
Während er noch zögerte, musste er plötzlich an all jene Männer denken, die er in den letzten Jahren von Serafina di Fiore fern gehalten hatte. Er hatte stets nach der Regel gehandelt, dass niemand das Recht hatte, der Prinzessin zu nahe zu kommen. Und diese Regel galt auch für ihn.
Besonders für ihn.
Zum Teufel, dachte Darius. Er war es nicht gewesen, der heute Abend begonnen hatte.
Außerdem würde sowieso nichts geschehen. Das würde er niemals zulassen. Er war noch immer dazu fähig, seine Lei- denschaft mit eiserner Willenskraft zu beherrschen. Schließ- lich war er väterlicherseits ein Nachfahre Torquèmadas, des spanischen Inquisitors. Bald schon würde er wieder fort sein, und dann müsste sich jemand anders mit Serafina beschäf- tigen.
Sein Herz schlug noch schneller, als er den sehnsüchtigen Ausdruck in ihren Augen bemerkte. Vielleicht verzehrte auch sie sich ebenso sehr nach ihm wie er nach ihr.
„Also?“ fragte sie ein wenig atemlos.
Sie blickten sich wie gebannt an. Die Uhr über dem Kamin- sims tickte laut, der Regen trommelte an die Fensterscheiben.
Schließlich zuckte er die Schultern, als ob ihm alles gleich- gültig wäre. Er vermutete allerdings, dass Serafina sich nichts vormachen ließ.
„Ziehen Sie es aus“, flüsterte sie.
Darius streifte sich das Hemd über den Kopf und hielt es dann krampfhaft auf dem Schoß fest.
Das Erste, was Serafina sah, war nicht seine Wunde, son- dern das kleine Silbermedaillon, das an einer langen Kette um seinen Hals hing.
Oh, verdammt, dachte Darius verärgert.
Nun hatte er den Kampf verloren. Er hatte ganz vergessen, dass er den Anhänger trug.
Er rührte sich nicht und fühlte sich gefangen, entblößt, entlarvt.
Mit einem ungläubigen Blick sank Serafina auf die Knie zwischen seine gespreizten Beine und nahm das Medaillon zwischen ihre Finger. Dann blickte sie zu Darius hoch und sah ihn voller Unschuld verwundert an.
Es war das Medaillon mit der Jungfrau Maria, das sie ihm gegeben hatte, nachdem er an ihrem zwölften Geburtstag vor ihren Augen angeschossen worden war. Seitdem hasste Serafina ihren Geburtstag.
Stets hatte sie sich an dem Unglück mitschuldig gefühlt. Damals war sie an seinem Bett geblieben. Während er von Fieberträumen geschüttelt wurde, war er sich dumpf bewusst gewesen, dass sie an seinem Bett wachte, mit ihm sprach, betete. Ihre sanfte Kinderstimme war seine Verbindung zum Leben gewesen.
Später wurde ihm berichtet, dass man versucht hatte, sie von seinem Bett wegzuzerren. Aber Serafina hatte geschrien, gespuckt und gebissen, weil sie ihn nicht verlassen wollte.
Darius hatte das nie vergessen. Er hatte nicht erwartet, dass ihm einmal ein Mensch treu sein würde. Als es ihm besser ging, hatte sie ihm selbst die Kette mit dem Medaillon um den Hals gelegt. Das würde ihn beschützen, hatte sie gesagt. Und dann hatte sie noch etwas hinzugefügt. Was war es doch gleich?
Darius sah in Serafinas Augen, und das Bild des kleinen Mädchens, das ihm damals etwas ins Ohr geflüstert hatte, erschien in seiner Fantasie.
Du bist der mutigste Ritter der Welt, Darius. Wenn ich groß bin, werde ich dich heiraten.
3. KAPITEL
„Sie haben es noch immer“, sagte Serafina leise und blickte auf das winzige Medaillon in ihrer Hand.
„Ja, noch immer“, erwiderte Darius, wobei seine Stimme ein wenig rau klang.
Wie vom Blitz getroffen, schaute sie in seine dunklen Augen. Sie hielt den Atem an, denn sie wollte nicht wieder den Feh- ler begehen, deren Ausdruck zu deuten, da sie sich ja schon zu oft geirrt hatte. Aber es musste doch etwas heißen, dass Darius noch immer ihren Talisman trug. Am liebsten hätte sie Darius umarmt und an sich gedrückt.
Eine unvorstellbare Freude stieg in ihr hoch und strahlte aus ihren plötzlich feucht gewordenen Augen. „Ich habe doch gesagt, dass es helfen würde.“
Er lächelte sie ein wenig verschämt an und senkte dann den Blick.
Eine Weile betrachtete Serafina ihn liebevoll. Sein son- nengebräuntes Gesicht war kantiger, als sie es in Erinnerung hatte, und der Blutverlust ließ ihn bleich aussehen. Seine Augen blickten noch misstrauischer, und sie erkannte leichte Schatten darunter. Wunderschön wie immer, dachte sie, aber es schien ihm nicht gut zu gehen. Er war zu angespannt, zu ruhelos.
„Sie haben wenig gegessen in letzter Zeit“, tadelte sie
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