Gaelen Foley - Knight 01
hatte, und das wäre ge- nug.
Ich werde nicht davonlaufen. Ich werde nicht davonlaufen, dachte sie bei jedem Schritt, während das Geklimper seines Schlüsselbunds wie Glassplitter in ihr Bewusstsein drang. Das Geräusch, das in ihren Albträumen erklang.
Sie hatte Angst – große Angst, sie zitterte; ihr war vor Furcht eiskalt bis in die Fingerspitzen. Aber sie hatte sich wieder er- hoben, nachdem er sie niedergestreckt hatte, und nun hatte sie einen Verbündeten, der Hand in Hand mit ihr einherschritt. „Belinda ...“
„Schon gut“, hörte sie sich selbst in der Ferne sagen, über das Rauschen des Blutes in ihren Ohren hinweg. Gott segne Robert, er wusste zwar nicht, was los war, aber er blieb bei ihr. Entweder hatte der bedauernswerte Gefangene nun genug gebüßt, oder der Aufseher hörte sie kommen, jedenfalls richte- te er sich schwerfällig auf, den Knüppel in der Hand – hart, grausam, blutverschmiert.
Und dann drehte er sich um und schaute ihr direkt ins Ge- sicht.
Bel spürte, wie es ihr vor Panik die Kehle zusammenschnür- te. Alles um sie bewegte sich langsam, wie in jener Nacht. Die
Zeit gerann zu einem Tröpfeln. Sie wollte fliehen, wie ein Pferd in einem Gewitter durchgehen. Doch eisern hielt sie die Stel- lung – ihr war schlecht, sie zitterte, ihr war eiskalt. Sie zitterte vor Hass, sie hatte die Zähne so fest zusammengebissen, dass es schmerzte.
Die Lippen des Aufsehers verzogen sich zu einem bestiali- schen Lächeln, sie sah, wie er darauf wartete, dass sie zurück- zuckte oder verriet, was er ihr angetan hatte. Doch sie tat kei- nes von beidem. Ihr Magen krampfte sich zusammen, doch ih- re Miene blieb völlig reglos. Mit einer gewaltigen Willensan- strengung kratzte sie in all dem Schmerz, mit dem zu leben sie gelernt hatte, ihre letzte Kraft zusammen. Robert hatte gesagt, dass sie Ballast mit sich führte. Daran wollte sie denken. Sie kam näher.
Das überraschte den Aufseher. Sein gemeiner Blick richtete sich auf Robert.
Plötzlich fragte sich Bel, ob sie ihren Gönner soeben in Ge- fahr gebracht hatte – doch dann schaute sie zu ihm auf, sah, wie Robert dem Mann einen königlichen Blick des Abscheus zuwarf. Sie lächelte mit kalter Befriedigung, als es dem Aufse- her dämmerte, dass sie nun einen mächtigen Beschützer hatte. Einen Beschützer. Er entstammt einer langen Linie von Krie- gern, und sein Name war Knight. Wer sollte ihn besiegen? Misstrauisch musterte der Aufseher nun wieder Belinda. Vermutlich war ihm soeben aufgegangen, dass sie sich in einer Pattsituation befanden – ihr Stillschweigen gegen die Sicher- heit ihres Vaters. Er wusste ja nicht, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte. Die Vorstellung, Robert oder irgendein anderer Verehrer von ihr könnte herausfinden, dass sie ihre Unschuld an diese Bestie verloren hatte, erfüllte sie mit schrecklicher Scham. Ihre schönen Kleider und hochnäsigen Allüren hatten ihnen vorgegaukelt, dass sie eine wahre Tro- phäe sei. Wie sie alle an der Nase herumgeführt hatte – sie, die liebeskalte Kurtisane, schmutziger und weniger wert als eine Hure. Sogar Robert diente sie nur als Köder.
Ohne dass ein Wort gewechselt wurde, gingen sie, ihr Gönner und der Lakai an dem zusammengesunkenen Gefangen, dem Aufseher und der Wache vorbei.
Sie wusste, dass sie die Schlacht gewonnen hatte, doch ver- setzte ihr der Aufseher noch einen letzten Schlag, indem er hinter ihr zu feixen begann. Lässig klimperte er mit seinem
Schlüsselring, und bei dem Geräusch wäre sie beinahe doch noch zusammengebrochen.
Sie ließ Roberts Hand los und eilte einfach weiter, bis sie end- lich vor dem Bogeneingang des Fleet-Gefängnisses stand. Nach Atem ringend, schob sie sich durch die Tür. Völlig be- nommen schaute sie zum schwankenden Himmel auf, und in ihrem Gesichtsfeld explodierten schwarze Flecken. Sie spürte Roberts Hände, die sie stützten, und klammerte sich an seinen Unterarm, gegen die Ohnmacht ankämpfend. Fürsorglich leg- te er ihr den Arm um die Taille.
„Belinda, du siehst ja richtiggehend krank aus, was ist denn los?“ Sein Bariton schien wie durch eine dicke Glaswand zu ihr zu dringen.
Der Schmerz überrollte sie in Wellen. Gott, wie sehr sie sich wünschte, dass er zu ihr durchdrang – dass er den gläsernen Sarg zertrümmerte, in den sie sich zurückgezogen hatte, sie he- raushob – und an die Brust drückte. Nichts sollte zwischen ih- nen stehen. Aber das würde nie geschehen. Liebe war für sie nicht
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