Gaelen Foley - Knight 01
vorgesehen.
„Mir ... geht es gut “, zwang sie sich zu sagen und entzog sich ihm, während sie allmählich die Fassung wiedererlangte. „Vie- len Dank.“
Sie hörte, wie er dem Lakaien befahl, die Kutsche zu holen. Unruhig ging er auf dem Gehsteig auf und ab, während sie in versteinertem Schweigen auf den Wagen wartete.
„Belinda, ich will nicht, dass du noch mal in dieses Höllen- loch gehst“, stieß er hervor und sah sie gebieterisch an.
Langsam senkte sie den Kopf. „Denkst du etwa, mir gefällt es hier?“
„Dann komm einfach nicht mehr her.“
Im Moment hatte sie nicht die Kraft, ihm zu widersprechen. Natürlich musste sie wiederkommen, schließlich saß ihr Vater hier ein. Einen winzigen Moment lag ihr die Bitte auf der Zun- ge, Robert möge ihr das Geld leihen, damit sie ihren Vater aus- lösen konnte, doch waren ihrem Stolz in letzter Zeit zu viele Wunden geschlagen worden. Sie wollte keine Almosen, und außerdem hielt er schon wenig genug von ihr, auch ohne dass sie der Hurerei noch Bettelei hinzufügte.
Er kam näher und blieb in ein, zwei Fuß Entfernung vor ihr stehen. Sie nahm all ihren Mut zusammen, hob das Kinn und begegnete kühl seinem Blick. Er musterte sie aufmerksam. Sei-
ne dunklen, durchdringenden Augen schienen direkt in ihre verletzte Seele zu schauen.
Sie konnte weder etwas sagen noch den Blick abwenden. Entnervt schüttelte er den Kopf über ihr Verhalten, doch sei- ne Stimme war sanft. „Du hättest mir erlauben müssen, dich durch einen anderen Ausgang nach draußen zu bringen. Es war nicht nötig, dass du so viel Brutalität mit ansehen muss- test.“
Da hätte sie beinahe laut lachen müssen. Das Unschulds- lamm. Wenn er nur wüsste. Seine einfache ritterliche Güte trieb ihr die Tränen in die Augen. „Mein Musterknabe“, flüs- terte sie.
„Wieso nennst du mich so? Das ist überhaupt nicht lustig.“ Finster trat er einen Schritt zurück und wirkte dabei so steif und wichtigtuerisch, dass sie die Kraft zu einem Lächeln fand. Dann kam der Wagen, und sie stiegen ein. Sie setzte sich ne- ben ihn und lehnte den Kopf an seine Schulter. Sie wusste, dass er verstimmt war, doch statt zu protestieren, rückte er zur Sei- te, damit sie es bequemer hatte, und legte ihr den Arm um die Schultern. Sie schloss die Augen, vollkommen erschöpft von ihrem geheimen Sieg. Er roch wirklich gut, sein Arm fühlte sich so fest und stark an, und seine Schulter war zum Anleh- nen wie geschaffen.
Du hast mir geholfen, dachte sie. Du weißt es zwar nicht, aber du hast mir die Kraft gegeben, es durchzustehen.
„Nächstes Mal hörst du aber auf mich“, schimpfte er und be- mühte sich, verärgert zu klingen.
„Ja, Liebling. Egal, was du sagst“, flüsterte sie mit einem winzigen Lächeln und dankte Gott für diesen Mann. Lass mich nur bei dir bleiben.
9. KAPITEL
Das stürmische englische Wetter hatte ihnen einen Kälteein- bruch beschert, und als Hawk am Abend hungrig, müde und schlecht gelaunt aus dem Oberhaus kam, goss es in Strömen. Zu allem Überfluss hatte er auch noch verfluchte Kopfschmer- zen, die davon herrührten, dass er kurz vor der Dinnerzeit mit Eldon, Sidmouth und ihren ultrakonservativen Kollegen dis- kutiert und sich dann so über ihre blutrünstigen Ansichten aufgeregt hatte, dass er nichts hatte essen können.
Außerdem machte er sich die ganze Zeit Gedanken um Be- linda, die ihn verwirrten und verstörten und sich mit seinem ausgehungerten Geschlechtstrieb paarten, bis seine Gehirn- windungen völlig verknotet zu sein schienen.
Diese Sache mit Jacinda und Paris und Mrs. Halls Töchter- pensionat – war das wahr oder gelogen? Die Vorstellung, eine Kurtisane hätte den Charakter seiner ohnehin schon störri- schen kleinen Schwester geformt, entsetzte ihn. Um Jacindas Wohlergehen willen musste er die Wahrheit herausfinden, nur war er sich dabei gar nicht sicher, ob er noch mehr über Miss Hamilton erfahren wollte.
Er bemühte sich, höfliche Distanz zwischen ihnen zu wah- ren, sich nicht mit ihr einzulassen, doch hatte er das Gefühl, er werde zu ihr hingezerrt, ohne sich dagegen wehren zu können. Stirnrunzelnd starrte er aus der Kutsche, während der Wind den Regen gegen das Glas wehte, rieb sich die pochenden Schläfen und ließ sich durch den Kopf gehen, was er über Miss Belinda Hamilton wusste.
In seinem Wissen klafften beunruhigende Lücken. Zum Bei- spiel fragte er sich, wie genau sie eigentlich Kurtisane gewor- den war. Sie zu fragen wäre
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