Gaelen Foley - Knight 01
genauso reizend.
Ritterlich, wie er war, würde Hawkscliffe ihr einfach nicht widerstehen können, vor allem wenn er Juliets staunenden blauen Augen und ihre schokoladenbraunen Locken erblickte. Coldfell verließ sich fest darauf. Ihr erstgeborener Sohn – sein zukünftiger Enkel – würde alles erben, und er konnte ins Grab sinken in dem Bewusstsein, dass seine Tochter und seine Güter in guten Händen waren.
Seine Hure konnte Hawkscliffe ja behalten. Das würde Ju- liets eheliche Pflichten verringern.
In diesem Augenblick ging die große Flügeltür zum Speise- salon auf, und der Butler verkündete würdevoll, dass das Din- ner aufgetragen sei.
„Wellington, darf ich bitten?“ Hawkscliffe präsentierte dem Kriegshelden mit einer eleganten Geste seine Geliebte.
Beinalle hätte der aufrechte, streng dreinblickende große Ge- neral gelächelt. Er nickte und bot ihr den Arm. „Miss Hamil- ton, es wäre mir eine Ehre.“
Anmutig legte sie die Hand auf seinen Arm.
Zynisch stellte Coldfell fest, dass die Kurtisane auf ihre Art eine ebenso große Eroberin war wie der General. Er musste zu- geben, dass sie von überwältigender Schönheit war. Keinen Mann, wie alt er auch sein mochte, ließen ihre Reizen unbe- rührt. Ihr heiteres, geheimnisvolles Lächeln faszinierte sie alle,
und vor allem Eldon schien ganz verzückt von ihr. Der Lord- kanzler hatte neben ihr auf dem Sofa gesessen und hätte sie wahrscheinlich am liebsten auf seinen knochigen Schoß gezo- gen, wenn Hawkscliffe nicht da gewesen wäre – und vielleicht hätte sie sogar mitgespielt, wenn der Preis entsprechend hoch gewesen wäre.
La Belle Hamilton besaß Haltung und Stil. Ihre herrliche Gestalt war in ein eng anliegendes Gewand aus muschelrosa Musselin gehüllt. Während Lucy mit ihrer Leidenschaft und ihrer Lebenslust wie Feuer ist, so ist Bel Hamilton wie Eis, dachte Coldfell, kalt glänzend und strahlend wie ein makello- ser Diamant, doch er konnte sich gut vorstellen, dass sie bei Hawkscliffe dahinschmolz.
Der dunkle, attraktive Herzog ließ seinen Gästen soeben mit einem zurückhaltenden Lächeln den Vortritt. „Nach Ihnen, meine Herren.“
Coldfell nickte seinem Gastgeber liebenswürdig zu, als er an seinem Stock an ihm vorüberhinkte, und nahm seinen Platz am Tisch ein. Mit einem inneren Schnauben stellte er fest, dass die Tafel aufs Trefflichste gedeckt war. Die Kurtisane war eine ge- übte Gastgeberin; kein Detail war übersehen worden. Im Licht der Bienenwachskerzen schimmerten die polierten Mahago- nischnitzereien, das Tafelsilber und der mehrstöckige Tafel- aufsatz in der Tischmitte. Auf dem makellos weißen Tischtuch standen für jeden kleine Fingerschalen mit Orangenblüten- wasser bereit, und in jeder Ecke des Raums warteten livrierte Lakaien.
Als Hawkscliffe am Kopfende des Tisches Platz nahm, schaute er zu seiner Gehebten am Fußende hin, ein kleines Lä- cheln auf den Lippen. Coldfell sah, wie sie einen innigen Blick tauschten. So hervorragend war das Zusammenspiel der bei- den, dass es den Anschein eines anmutigen Tanzes erweckte. Verstohlen blickte Coldfell von einem zum anderen.
Zugegeben, jeder konnte sehen, dass diese Frau Hawkscliffe gut tat. So locker und entspannt hatte Coldfell ihn noch nie er- lebt. Und außerdem wusste seine Gehebte, wie sie ihn zu neh- men hatte: Als Sidmouth den Herzog im Salon mit einer Be- merkung in die Enge getrieben hatte, hatte sie sich mit einer charmanten Bemerkung ins Gespräch gemischt.
Im Gegenzug war Miss Hamilton anfangs sichtlich nervös gewesen, doch Coldfell hatte beobachtet, wie Robert sie mit ei-
ner kleinen Berührung am Ellbogen beruhigt hatte – eine Ges- te, die von Zuneigung und Vertrauen kündete. Und als er jetzt ihren wortlosen, kaum wahrnehmbaren Austausch mitbekam, traf ihn wie ein Schlag die Erkenntnis: Die beiden liebten ei- nander.
Das Funkeln in Roberts dunklen Augen, die Röte in Belindas Wangen verrieten sie. Und der Zauber, der von beiden ausging, steckte auch die anwesenden Politiker an. Die ganze Gesell- schaft befand sich in glänzender Laune, als hätte Miss Hamil- ton irgendein Rauschmittel in den Champagner geschüttet. Als der erste Gang auf getragen wurde – Gänsebraten und ge- grillte Forelle, Rehbraten und saftiges Kalbfleisch, dazu zahl- lose Beilagen wie gedämpftes Rotkraut und Topinambur –, senkte Coldfell den Blick. Er breitete die schneeweiße Serviet- te über die Knie und tauchte die Finger in das parfümierte Wasser.
Also gut,
Weitere Kostenlose Bücher