Gaelen Foley - Knight 01
dachte er, dann muss ich eben zu ein paar drasti- schen Maßnahmen greifen.
Alles schien glatt zu gehen, doch Bel war viel zu nervös, um mehr als ein paar Bissen gebratenen Truthahn zu sich zu neh- men. Im Salon hatte sie die konservativen Parteiführer für Ro- bert einnehmen wollen, doch jetzt beim Essen war sie mehr an den geladenen Dichtern interessiert. Nur Whigs sprachen auch beim Essen von der Politik.
Sie versuchte, Walter Scott einen Hinweis darauf zu entlo- cken, woran er gerade schrieb, doch der Schriftsteller wollte nicht über seine Ritterromane sprechen, sondern nur über das neogotische Haus, das er an der schottischen Grenze errichte- te. Pausenlos redete er von den praktischen Aspekten des Hausbaus, von Fachwerk, Anbauten, Grundsteinen und Türm- chen; er war zwar liebenswert, aber so voll heißer Luft, dass er Bel unweigerlich an einen Dudelsack erinnerte.
Bel lächelte höflich und nahm sich für die Zukunft vor, da- ran zu denken, dass Romanciers langatmige Kreaturen waren, und wandte sich dann hoffnungsvoll an Robert Southey. Be- stimmt hatte der sanfte Hofpoet Inspirierendes zu sagen, doch erwies er sich als stockkonservativ, und sobald der Wein in Strömen floss, wollte er nicht von der Muse sprechen, sondern von diesem perversen Schreiberling Byron, den er aus tiefster Seele verachtete.
Bel fing den Blick ihres Gönners auf, und beide mussten sich beherrschen, um über des Dichters eifersüchtige Raserei nicht in Gelächter auszubrechen. Damit war auch die Lyrik abge- hakt. Robert sprach Mr. Southey auf seine hervorragende Nel- son-Biografie an, worauf sich eine lebhafte Diskussion ent- spann, an der sich sogar der schweigsame Wellington beteilig- te, um einen Toast auszubringen. Sie alle stießen auf Nelson an.
„Lord Castlereagh“, sagte Bel zu dem gut aussehenden irischstämmigen Außenminister, „Hawkscliffe erzählte mir, Sie hätten im Parlament beantragt, dass ein Denkmal für Lord Nelson errichtet wird.“
„Wer hätte das mehr verdient als unser gefallener General?“ erwiderte Castlereagh melancholisch, was seiner natürlichen Gemütsverfassung entsprach. Angeblich war das auf seine übergroße Klugheit zurückzuführen. „Ich wünschte nur, Nel- son hätte noch miterleben dürfen, wie sein alter Freund Wel- lington diesen Bonaparte besiegt.“
„Wie soll das Denkmal denn aussehen?“ erkundigte sie sich.
„Unsere Architekten haben eine große Säule vorgeschlagen, auf deren Spitze eine Statue von Nelson stehen soll.“
„Ach, das wäre großartig“, meinte sie mit einem warmen Lä- cheln. „Sie werden ihn in Marmor verewigen lassen, wie es Mr. Southey mit seiner Prosa tat.“
„Seine Taten waren es, die ihn unsterblich machten, Miss Hamilton. Ich habe sie nur getreulich aufgezeichnet“, erwider- te Mr. Southey bescheiden. „Erzählen Sie uns doch, was liest unsere schöne Gastgeberin zurzeit?“
„Wie reizend von Ihnen, dass Sie fragen. Ich habe erst vor kurzem einen wirklich bemerkenswerten Roman entdeckt, bei Hatchard’s. Er ist letztes Jahr erschienen, anonym. Ich habe den ersten Satz gelesen und konnte das Buch nicht mehr weg- legen.“
„So, so, anonym also. Doch nicht etwa eines dieser gewagten französischen Bücher?“ neckte Eldon.
„Aber nein, Mylord“, schimpfte sie, während die anderen lachten.
„Wie heißt es denn?“
„Stolz und Vorurteil.“
„Hmm, klingt politisch.“
Sie lachte. „Nicht direkt.“
Dann merkte sie, wie Robert sie mit einem seltsamen, liebe-
vollen Lächeln betrachtete, und geriet so durcheinander, dass sie das Thema fallen ließ. Errötend wandte sie den Blick ab. Als das Dessert aufgetragen wurde – Aprikosen in Blätter- teig, Zitronentorte, Pudding, eine Sauerkirschtorte und eine elegante Süßspeise aus Löffelbiskuit und Creme, bestreut mit echten Blüten –, fiel Bel auf, dass der Earl of Coldfell sie schon wieder musterte.
Der alte Mann hatte kalte, blassblaue Augen und scharfe Wangenknochen.
Sie schaute weg und wand sich innerlich vor Mitleid mit der rothaarigen Schönen auf Roberts Miniatur. Lady Coldfell hat- te ihr Ehebett bestimmt nicht sonderlich genossen. Wie um al- les in der Welt hatte sie einem so prächtigen Mann wie Hawks- cliffe widerstehen können?
Aber eigentlich war es ja Robert gewesen, der ihr widerstan- den hatte. Die Countess wäre einer kleinen Liebelei vielleicht gar nicht so abgeneigt gewesen.
Schließlich zog Bel sich zurück und überließ die Männer ih- rem Portwein
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