Gaelen Foley - Knight 01
würde er nie tun. Er ließ sich von keiner Frau zum Narren machen. Diese Lektion hatte er gelernt, als er mit ansehen musste, wie sein Vater bei jeder neuen Eskapade seiner Mutter mehr an Würde verlor.
„Hawkscliffe, wie nett, dass Sie vorbeikommen“, sagte Cold- fell, der seinen Gast im seidenen Hausmantel empfing.
„Sir“, erwiderte Hawk seinen Gruß und rang sich ein Lä- cheln ab. Sie schüttelten einander die Hand, und dann nahm Hawk gegenüber dem Earl Platz.
Coldfell legte die Hände auf die Knie. „Hawkscliffe, ich kannte Ihren Vater, und Sie kenne ich, seit Sie ein kleiner Jun- ge waren. Heute habe ich Sie hergebeten, um Ihnen eine einfa- che Frage zu stellen: Was um Himmels willen ficht Sie an, die- se Frau in Ihrem Haus wohnen zu lassen?“
Hawk atmete tief durch und lehnte den Kopf zurück.
„Sich eine Geliebte nehmen – warum nicht, das ist für einen Mann in Ihrem Alter durchaus gesund. Ich zolle Ihnen sogar Beifall, was Ihren Geschmack betrifft, aber ...“
„Ich weiß.“
„Tatsächlich? Sie wissen, dass sich ein Skandal zusammen- braut? Ihr Ruf ist in Gefahr.“
Hawk hob den Kopf und starrte den Earl ausdruckslos an. „Es ist nicht so, wie es scheint. Lassen Sie mich nur sagen, dass Dolph von Miss Hamilton richtig besessen ist und ich mich deswegen ihrer Dienste versichert habe. Der Rest ist nichts als eine Maskerade.“
„Na, auf mich hat es aber ziemlich authentisch gewirkt. Sei- en Sie vorsichtig bei dieser Frau. Sie wissen ja, was sie ist.“
Dazu enthielt Hawk sich jeden Kommentars. „Sie können
ganz beruhigt sein, Sir, die Sache wird bald vorüber sein. In- nerhalb der nächsten Tage werde ich Ihren Neffen wie verspro- chen zur Rechenschaft ziehen.“
„Gut. Wenn es so weit ist, will ich dabei sein. Schicken Sie mir eine Nachricht?“
Hawk nickte.
Befriedigt lehnte Coldfell sich zurück. „Also dann. Wenn ich Ihre Geduld noch ein wenig strapazieren dürfte: Meine Juliet würde sich sehr freuen, Sie zu sehen. Sie bekommt so selten Besuch.“
Nur aus tief verwurzelter Höflichkeit behielt Hawk seine freundliche Miene bei. „Das ist doch keine Mühe.“ Er fand sich damit ab, dass er nun – trotz seiner neu erworbenen Abneigung gegen Frauen – galant sein musste.
„Gut“, meinte Coldfell mit einem Zwinkern.
Der alte Mann führte ihn hinaus in den Park. Natürlich woll- te Coldfell eine Ehe zwischen ihnen stiften, doch Hawk war so trübselig zu Mute, dass er keine Einwände erhob. Lady Juliet war von hervorragender Herkunft und viel zu sanftmütig und behütet, um einen Mann je in einen Skandal zu verwickeln; und ihre Gehörlosigkeit konnte sie nicht weitervererben, weil sie nicht angeboren, sondern durch Gelbfieber ausgelöst wor- den war. Hawk hatte die reizende Juliet bereits kennen gelernt und Mitleid für sie empfunden. Er konnte Coldfells Sorge gut nachvollziehen, einen Ehemann für seine zerbrechliche junge Tochter zu finden, der sie ehren und beschützen würde.
Heute jedoch ertappte er sich nur bei dem Wunsch, Alfred Hamilton besäße auch nur ein Jota von der elterlichen Sorge des Earls.
Den Hut in der Hand, schaute Hawk sich auf dem sonnenbe- schienenen Gelände mit den Zierteichen und den Form- schnitthecken um. Als er den grünen Teich entdeckte, in dem Lucy ertrunken war, erstarrte er und blickte rasch weg.
„Übrigens, ich habe jemanden mitgebracht, den ich Ihnen vorstellen möchte – einen viel versprechenden jungen Mann, der einen Sitz im Unterhaus anstrebt. Ich möchte gern Ihre Meinung über ihn einholen.“
„Ich sehe mir gern einmal an, ob er sich für unsere Partei eig- net“, erklärte der Earl, der ihm, auf seinen Stock gestützt, vo- rausging.
„Danke, Sir.“ Hawk erwähnte lieber nicht, dass Griffon kein
Tory, sondern ein eingefleischter Unabhängiger war.
„Wie heißt er denn?“
„Clive Griffon.“
„Von den Derbyshire-Griffons? Eine alte Grundbesitzerfa- milie.“
„Ja, Sir.“
„Doch nicht etwa der Erbe?“
„Doch. Er hat ausgezeichnete Aussichten.“
„Hmmm.“
Sie kamen an einem Obstgarten mit Spalierobst an, wo sich Hawk durch das grüne Blätterwerk hindurch eine Vision mäd- chenhafter Unschuld darbot.
Vor einem übertrieben romantisch gestalteten Taubenschlag kniete Lady Juliet, auf dem ausgestreckten Finger eine weiße Taube. Die Tochter des Earls war siebzehn Jahre alt und mit ihren dichten braunen Locken, den rosigen Wangen und dem milchigen Teint ganz reizend anzusehen. Sie bemerkte sie gar
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