Gaelen Foley - Knight 02
Harry und diese alte Hexe, ihr müsst lernen, mir den fälligen Respekt zu erweisen.“
„Respekt muss man sich normalerweise verdienen“, knurrte Alice.
„Das ist genau die Art freche Antwort, die ich mir von dir nicht mehr bieten lasse, du kleine Hure!“ sagte Caro bösar- tig.
„Wie kannst du es wagen?“
„Nun, das bist du doch, oder? Ich weiß es. Ich weiß, was du
getan hast, also kehre mir gegenüber nicht die Unschuld he- raus, sonst kannst du aus meinem Haus ausziehen und selbst sehen, wo du bleibst. Vergiss nicht, dass ich dir verbieten kann, Harry zu besuchen.“
Alice starrte sie entsetzt an. „Das würdest du nicht tun.“
„Lass es doch darauf ankommen!“
Alice blinzelte und versuchte, diese schreckliche Drohung zu begreifen. „Was willst du von mir?“
„Ah, das ist schon besser. Wie viel netter wir es beide doch haben, wenn wir uns verstehen!“ Caro lächelte ausdruckslos und nippte an ihrem Tee. „Also. Zuerst einmal müssen wir dafür sorgen, dass du dich in der Gesellschaft zeigst, damit auch jeder weiß, dass du dich von deiner Influenza erholt hast. Frauen wie wir müssen unbedingt den Schein wahren.“ Alice musste an sich halten, um darauf nichts zu erwidern. Ich bin nicht wie du, dachte sie. Egal was ich mit Lucien ge- macht habe, ich werde nie wie du sein.
„Die Mitglieder des ton sind zurzeit noch dünn gesät, aber heute Abend veranstaltet Gräfin Lieven ein Konzert, und am Freitag gibt es in den Argyle Rooms einen Ball. Du wirst an beiden teilnehmen.“
„Ich kann nicht. Die Monatsblutung“, murmelte sie.
„Verstehe. Dann bist du heute Abend entschuldigt, aber am Freitag gehst du mit mir auf den Ball. Bis dahin wirst du dich ja wohl erholt haben.“
„Und Peg?“
Hochmütig blickte Caro in ihre Teetasse. Es bereitete ihr offensichtlich Freude, ihre Macht auszuspielen. „Wenn du mir versprichst, über alles, was auf Revell Court geschehen ist, Schweigen zu bewahren, will ich ihr eine zweite Chance geben.“
Angewidert schaute Alice sie an. Der Baronin war offen- sichtlich klar geworden, dass der ton sie beide schneiden würde, wenn herauskäme, dass Alice Luciens Geliebte gewe- sen war und Caro, ihre eigene Schwägerin, bewusst zu ihrem Untergang beigetragen hatte, statt sie zu beschützen. Caro mochte ihr Ruf als skandalträchtige Abenteuerin gleichgül- tig sein, aber sie würde bestimmt nicht gern als eine Schur- kin dastehen, die so kleinlich und eifersüchtig war, dass sie ihre eigene Schwägerin ins Unglück stürzte. Vielleicht woll- te Caro auch nicht, dass ihr neuer preußischer Liebhaber er-
fuhr, was für eine Frau sie war.
„Versprichst du mir das?“ hakte Caro nach.
„Ich habe nicht die Absicht zu verraten, dass ich Lucien Knight überhaupt kenne“, entgegnete Alice. „Vor meiner Abreise haben wir uns darauf geeinigt, dass wir uns wie Fremde behandeln wollen, als hätten wir uns nie kennen ge- lernt.“ Schmerz durchzuckte sie bei diesen Worten, doch ih- re Miene blieb ausdruckslos.
„Gut“, erwiderte Caro. „Dann ist das unser kleines Ge- heimnis. Zum Zeichen meines guten Willens werde ich Mrs. Tate erlauben zu bleiben – aber du bist dafür verantwortlich, dass mir diese alte Hexe vom Leib bleibt. Und sag ihr, dass ich eine Entschuldigung von ihr verlange.“
Peg würde vor Zorn schäumen, wenn sie hörte, dass sie vor Lady Glenwood zu Kreuze kriechen sollte, aber für Harry würde sie es tun, das wusste Alice genau. „In Ordnung.“
Caro lächelte strahlend und strich sich übers Haar. „Na al- so, das war doch gar nicht so schwer, oder?“
In diesem Moment läutete es an der Tür.
„Ah, das wird von Dannecker sein. Wir fahren aus in den Hyde Park.“ Caro stellte die Teetasse ab, eilte zum Spiegel, der über dem Kaminsims hing, und kniff sich in die Wangen, um ein mädchenhaftes Erröten hervorzuzaubern. Dann lief sie hinaus in den Gang, gerade als Mr. Hattersley die Tür öff- nete.
Alice folgte ihr wachsam, neugierig auf den Mann, der, Ca- ros Drohungen zufolge, Harrys Stiefvater werden könnte. Von Dannecker war ein Hüne von einem Mann, größer noch als Lucien, und kräftiger, mit Schultern wie Granitfelsen. Obwohl die dunklen Kleider mit Zurückhaltung gewählt sind, würde sich das wettergegerbte Mannsbild wohl in ei- nem Kettenhemd viel wohler fühlen, vermutete Alice. Seine Muskelpakete schienen den streng geschnittenen Frack und das enge, gestärkte Krawattentuch förmlich sprengen zu
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