Gaelen Foley - Knight 02
wollen.
„Karl!“
Neben ihm wirkte Caro geradezu wie eine Zwergin, als sie zu ihm eilte, ihn umarmte und sich auf Zehenspitzen stellte, um ihn auf die Wangen zu küssen. Er hatte ein eckiges Ge- sicht mit breiter Stirn und gespaltenem Kinn, sein stroh- blondes Haar war glatt nach hinten gekämmt. Im rechten
Auge trug er ein Monokel.
Als er Alice an der Tür zum Frühstückszimmer lehnen sah, fiel ihm das Monokel plötzlich aus dem Auge und schwang am Band vor seiner Brust, während Caro weiter ein großes Aufheben um ihn machte. Als Alice seinem Blick begegnete, ließ etwas in seinen blauen Augen sie erschaudern und sich näher an die Tür drücken. Er hatte einen schmalen, grausa- men Mund, tiefe Ringe unter den Augen und auf der Haut ei- nen leichten Ölfilm.
„Ah, Karl, das ist meine Schwägerin, Miss Montague. Ali- ce, das ist Baron Karl von Dannecker“, verkündete Caro stolz, während sie sich besitzergreifend bei ihm unterhakte und schamlos seinen mächtigen Bizeps streichelte.
Alice nickte dem Mann zu. Er verbeugte sich und blickte dann die Treppe hoch, die Harry soeben vorsichtig herunter- kam.
„Tante Alice! Komm und schau dir die Kätzchen im Gar- ten an!“ rief der Junge.
„Ich komme, Harry. Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden.“ Sie knickste kurz, eilte Harry auf der Treppe ent- gegen und nahm ihn bei der Hand. „Du weißt doch, dass du nicht allein die Treppe runtergehen sollst, Harry.“
„Ich hab am Fenster gestanden und von dort die Kätzchen gesehen. Nana Peg hat gesagt, wir könnten ihnen ein biss- chen Milch geben.“
„O Harry!“ rief Caro. „Komm und begrüß Lord von Dann- ecker und gib Mama zum Abschied ein Küsschen.“ Caro beugte sich vor und streckte dem Kind die Arme entgegen, vermutlich um ihrem Liebhaber zu beweisen, was für eine gute Mutter sie war.
Harrys begeistertes Geplapper verstummte. Er betrachte- te bekümmert Alice, die ihm unmerklich zunickte. Ein Kind, das seine Mutter nicht respektierte, war niemals gut erzogen, auch wenn die Mutter eine hinterhältige Schlampe war. Er seufzte und ging pflichtbewusst zu seiner Mutter. Alice tat das Herz weh, als sie beobachtete, wie vorsichtig er die Frau umarmte, als hätte man ihm eingeschärft, dass er Mamas Frisur und Gewand unter keinen Umständen zerdrücken dürfe.
Harry reichte von Dannecker kaum über das Knie, aber er drehte sich zu dem Mann um, legte die Hand an die Hüfte
und vollführte eine elegante kleine Verbeugung. Dann rann- te er zu Alice zurück. Sie nahm ihn auf den Arm und hielt ihn fest, als wollte sie Harry vor von Danneckers gefühllosem Blick schützen.
Bis zum Guy-Fawkes-Abend waren es nur noch sechs Tage, und Claude Bardous Vorbereitungen liefen wie am Schnür- chen. Seine Mannschaft war mittlerweile auch da, angereist auf demselben irischen Fischerboot, das auch ihn nach Eng- land geschmuggelt hatte. Seine Männer hatten die glänzen- de Kanone – eine Achtzehnpfünder – , die reichhaltig be- stückte Munitionskiste und den tragbaren Ofen für die Brandladung mitgebracht.
Die ganze Stadt wird brennen, dachte er mit einem schmallippigen Lächeln. Er holte gerade Lady Glenwood ab, und die trotzige Art, in der die junge Schwägerin seinen Blick erwiderte, als sie das Kind auf den Arm nahm, gefiel ihm ganz und gar nicht.
Obwohl diese Miss Montague ebenso zart und sittsam aus- sah wie jede andere junge Dame, erkannte er in ihrem Blick eine Charakterstärke, die ihn nachdenklich stimmte. Bardou wandte sich um und schüttelte das seltsame Gefühl ab, dass das Mädchen seine Maskerade als preußischer Adliger ir- gendwie durchschauen könnte. Absurd. Rasch geleitete er Lady Glenwood zu Staffords Kutsche, die er sich von dem Grünschnabel geborgt hatte.
Sobald sie im Wagen saßen und unterwegs waren, schlang Caro ihm die Arme um den Hals und küsste ihn ein wenig sinnlicher als bei ihrer Begrüßung. Bardou hatte Küsse noch nie sonderlich gemocht, aber er spielte bereitwillig mit, da sie ihm überaus nützlich war. Sie war der Köder, mit dem er Knight am Guy-Fawkes-Abend aus London locken wollte. Allerdings spürte er, dass sie ihm nicht alles über ihre Bezie- hung zu Lucien Knight erzählt hatte. Immer, wenn er den Skandal um sie und die Knight-Zwillinge ansprach, wich sie mit neckischer, nervtötender Fröhlichkeit aus.
Bardou hatte sie nicht allzu sehr bedrängt, da er sie nicht verärgern wollte; doch als er spürte, wie sie immer stärker in seinen Bann geriet, beschloss
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