Gaelen Foley - Knight 02
schon erwarten sollen? Tausend Fra- gen schossen ihr durch den Kopf. Wenn du sie mir schwan- ger zurückschickst, wirst du sie heiraten ... heiraten ... Die grässlichen Worte hallten wie eine Totenglocke in ihr wider. Einverstanden, hatte er zu sagen gewagt. Einverstanden! Und ich werde wohl nicht gefragt, dachte sie voll Zorn. Ei- nes Tages wollte sie ein Kind, sicher, aber doch nicht vom Prinzen der Finsternis!
Als sie unten kurz darauf eine Kutsche vorüberrattern hörte, hob sie den Kopf und rannte zum Fenster. Voll Angst beobachtete sie, wie ihr Wagen durch das Tor von Revell Court rollte. Mitchell, ihr Kutscher, schaute mit einem be- sorgten Stirnrunzeln über die Schulter zurück. Alice ver- suchte seine Aufmerksamkeit zu erregen, doch er hatte sei- nen Blick schon wieder auf die Straße gerichtet. Sie fragte sich, welches Märchen Caro, diese Verräterin, den Dienstbo- ten erzählt hatte, um ihre Abwesenheit zu erklären.
Bekümmert starrte sie aus dem Fenster, bis die Kutsche die
Brücke über das Flüsschen überquert hatte und zwischen den Bäumen verschwunden war. Auch als sie den Wagen nicht mehr sehen konnte, blieb sie noch dort stehen, wurde sich allmählich der tiefen Stille auf Revell Court bewusst. Die Gäste waren abgereist. Auf den Fluren war alles ruhig. Die Dienstbotenscharen bewegten sich lautlos durch das Tu- dorhaus. Es gab nur noch Lord Lucien und sie. Ein Zittern überlief sie. Unruhig blickte sie sich um und rieb sich die Ar- me. Sie vermisste Harrys Geplauder. Selbst der schlimmste Trotzanfall ihres Neffen wäre dem unheimlichen Schweigen hier vorzuziehen. Sie ging zum Bett, setzte sich und lehnte sich an das hölzerne Kopfende. Sie zog die Knie an und schlang die Hände um die Beine, fest entschlossen, in ihrem Zimmer zu bleiben, bis dieser silberäugige Teufel das Inte- resse verloren hatte. Mit etwas Glück würde sie irgendwie entkommen können.
Ein plötzliches Geräusch im Flur ließ sie zur Tür blicken. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Schwere Schritte durch- brachen die Stille. So bald also kommt er. Sie wusste, dass sie ihn nicht auf ewig aussperren konnte. Leise rutschte sie vom Bett und sah sich nach einer Waffe um, mit der sie ihre Tu- gend nötigenfalls verteidigen könnte. Sie huschte zum Ka- min, griff sich den Schürhaken und schlich dann zu der ver- barrikadierten Tür. Sie hielt den Atem an, als es leise klopf- te.
„Alice, mein Liebchen, kommen Sie raus, und spielen Sie mit mir!“ rief er verbindlich.
Sie packte den Schürhaken fester. „Gehen Sie weg! Ich will Sie nicht sehen!“
„Aber, aber, meine Liebe, ich weiß ja, dass Sie ärgerlich sind, aber ...“
„Ärgerlich?“ brüllte sie und machte voll Zorn einen weite- ren Schritt auf die Tür zu, von dem Umstand ermutigt, dass Lucien nicht hereinkonnte – und wenn doch, würde sie ihm den Schädel einschlagen. „Ärgerlich ist ein viel zu milder Ausdruck für das, was ich fühle, Lucien Knight! Was soll ich von Ihnen halten? In einem Moment zielen sie mit einer Waf- fe auf mich, im nächsten lesen Sie mir Gedichtanfänge vor!“
„Ich nahm an, die Zeilen hätten Ihnen gefallen!“
„Sie wissen ganz genau, dass es darum nicht geht. Sie rei- ßen die Kontrolle über mein Leben an sich und erwarten,
dass ich Ihnen zu Füßen sinke!“
„Es wäre sehr hübsch, wenn Sie das täten ...“
„Wie können Sie es wagen, sich darüber lustig zu ma- chen!“ schrie sie mit hochrotem Kopf.
Pause.
Dann hörte sie ihn seufzen. „Wollen Sie sich die ganze nächste Woche wie ein Feigling da drin verstecken?“ erkun- digte er sich schließlich gelangweilt.
„Mir ist egal, was Sie denken, Sie ekelhafter Schuft. Ich bleibe keine Woche hier.“
„Aha. Nun, wenn Sie nicht nur Ihr Wort brechen, sondern mich auch noch beleidigen müssen, meine Liebe, dann kom- men Sie wenigstens heraus, um es mir ins Gesicht zu sagen.“
„Ha!“ erwiderte sie. „Meinen Sie etwa, ich bin so dumm, darauf hereinzufallen? Ich weiß genau, was Sie von mir wol- len. Sowie ich diese Tür öffne, werden Sie sich auf mich stür- zen!“
„Also hören Sie mal“, entgegnete er empört. „Ich habe noch nie eine Frau angefasst, wenn sie es nicht wollte – oder ist es vielleicht gerade das, was Sie befürchten? Dass es nicht gegen Ihren Willen geschieht? Dass es auf Gegenseitigkeit beruht?“
„Sie sind empörend, Sir! Ich verachte Sie!“
Er lachte und seufzte dann. „Na gut, dann erbarmen Sie sich doch wenigstens meiner,
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