Gaelen Foley - Knight 02
zurück, um festzustellen, dass mei- ne Mutter sich in seiner Abwesenheit getröstet hatte ...“
Alice hielt den Atem an. „Mit ihrem Mann, dem Herzog?“
„Nein. Nein, das wäre ihr viel zu zahm gewesen“, erwider- te er trocken. „Diesmal war es Sir Phillip Preston Lawrence vom Drury Lane Theatre, ein Schauspieler, der mehr für sein Aussehen als für seine Kunst berühmt war. Und wieder ein- mal wurde sie schwanger.“
„Liebe Güte!“ rief sie errötend.
„Kennen Sie Lord Alec, meinen kleinen Bruder?“
„Natürlich, den kennt doch jeder. Mein Freund Freddie Foxham kauft keine Weste, ehe er sich vergewissert hat, dass Lord Alec den Schneider gutheißt.“
„Ja, das ist Alec. Liegt wohl an seinem Schauspielererbe“, verkündete er mit einem Lachen. „Sie täten gut daran, Ihren Freund zu warnen – er sollte sich lieber nicht mit Alec zum Kartenspiel hinsetzen. Alec hat ein Höllenglück.“
„Werde ich“, erwiderte sie lächelnd. „Was für eine interes- sante Familie Sie haben! Sagen Sie, macht es Ihnen denn nichts aus, dass Lord Damien zum Earl erhoben wird und Sie nicht?“
„Nein, gar nichts“, entgegnete er sofort. „Er hat es ver- dient. Außerdem bin ich es durchaus gewohnt, in Damiens Schatten zu stehen. Es macht mir nichts aus.“
„Aber Lucien“, protestierte sie. „Sie stehen doch über- haupt nicht in seinem Schatten!“
„Doch, natürlich. Sie sind nur höflich. Ich habe immer in seinem Schatten gestanden.“ Er wartete, während sie um ei- ne schlammige Stelle herumging.
„Also wirklich, Lucien.“
„Es stimmt, da können Sie jeden fragen. Es gibt Damien und ,den anderen’. Dieser ,andere’, das bin ich. Es macht mir wirklich nichts aus – allerdings muss ich zugeben, dass man sich schon manchmal ein wenig überflüssig fühlt.“
Mit einem leisen, zärtlichen Lachen legte sie ihm die Hand auf den Rücken. „Ich finde überhaupt nicht, dass Sie über- flüssig sind. Wenn es Sie tröstet: Für mich wird immer Lord
Damien ,der andere’ sein.“
„Das ist wirklich ein Trost, Miss Montague.“ Er lächelte sie reuig an. „Sogar ein sehr großer.“
„Gut.“ Sie grinste keck und ging voraus. „Kommen Sie.“
„Und was ist mit Ihnen?“
„Was soll mit mir sein?“
„Erzählen Sie mir etwas, was sonst keiner von Alice Mon- tague weiß.“
Sie schaute ihn an. „So etwas wie ein dunkles Geheimnis?“
„Ja, genau!“
„Tut mir Leid, damit kann ich nicht dienen.“
Lucien lächelte und lief weiter, wobei er sich die Bemer- kung verkniff, dass er davon mehr als genug für sie beide ha- be.
„Dann erzählen Sie mir eben etwas Schönes. Berichten Sie mir von Ihrem schönsten Tag.“
„Das ist leicht. Mein zehnter Geburtstag. Da habe ich mein erstes Pferd bekommen – kein Pony – , was hieß, dass ich schrecklich erwachsen war. Alle waren sie da.“
„Alle?“
„Mama, Papa, Phillip, die Kinderfrau Peg.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Das war mein letzter Geburtstag, bevor meine Mutter krank wurde.“
Er spürte den unterdrückten Kummer in ihrer Stimme und blickte auf. „Was ist mit ihr passiert?“
Als er das traurige, versonnene Lächeln sah, drückte es ihm schier das Herz ab.
„Sie war eine lebensfrohe, wunderschöne Frau, sechsund- dreißig Jahre alt“, erwiderte sie. „Eines Tages bekam sie ei- nen Husten, der immer schlimmer wurde, bis sie ein paar Monate später nicht mal mehr die Treppe hochgehen konnte, ohne zu keuchen. Die Ärzte wussten nicht, was sie davon halten sollten. Erst dachten sie, es wäre die Schwindsucht, dann nahmen sie an, es sei eine Brustfellentzündung, obwohl die anderen Symptome jeweils fehlten. Schließlich entdeck- ten sie, dass es sich um einen versteckten Tumor in der Brust handelte, der sich in ihre Lunge ausgebreitet hatte. Sie konnten nichts tun. Sie gaben ihr Schierling gegen die Schmerzen. Aber davon wurde sie nur noch kränker.“
„Es tut mir so Leid, Alice“, murmelte er bekümmert.
„Mir auch. Sie war bis zum Ende voll Humor und Anmut.
Ich erinnere mich noch, wie ich an ihrem Bett saß und ihr die Gesellschaftsspalte der ,Morning Post’ vorlas. Sie hat Witze über den ton gemacht und mir erzählt, wie großartig ich bei meinem Debüt aussehen würde.“ Sie schwieg einen Moment. „Zwei Jahre später ist mein Vater gestorben. Er fiel von ei- nem Pferd, das er nicht hätte reiten sollen, als er über ein Hindernis springen wollte, das zu hoch für ihn war, vor allem nachdem er eine
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