Gaelen Foley - Knight 05 - Rache im Blut
voranzugehen.
„Ich muss sagen, dass es recht schön geworden ist“, begann er ein Gespräch, als sie die luftige Halle mit den Marmor- säulen und hellblauen Wänden betraten. „Es hat sich in der Nacht aufgeklärt.“
„In der Tat.“ Der frostige Nebel des Vortages hatte sich am Nachmittag aufgelöst.
„Vielleicht kommt das Frühjahr in diesem Jahr schneller“, vermutete er.
„Das können wir nur hoffen.“ Lizzie zwang sich zu einem Lächeln und sah sich nervös um, ehe sie anfing, die Regen- schirme neben der Tür zu sortieren. Dr. Bell knöpfte seinen Mantel zu. Als Lizzie ihm seinen Hut reichte, sah er sie ernst an.
„Ich würde mich sehr freuen, Sie beide beim nächsten As- sembléeball zu sehen, Miss Carlisle. Das würde Lady Strath- more gut tun ... und mir auch.“
„Oh ...“ Verwirrt beschloss Lizzie, seine schüchternen Avancen zu übergehen. „Wenn es ihr gut genug geht, werden wir es sicher versuchen.“
„Dann gebe ich mich mit dieser Hoffnung zufrieden.“ Er setzte den Hut auf. „Falls Sie mich brauchen“, ergänzte er, „können Sie jederzeit nach mir schicken.“
„Danke, Sir“, erwiderte Lizzie steif.
Er legte den Kopf etwas schräg und sah sie wegen ihrer Zurückhaltung verwundert an, aber nicht entmutigt. „Guten Tag, Miss Carlisle.“
Sie neigte den Kopf, und er schritt zu seiner Kutsche, einer eleganten Baruche mit zwei edlen Kastanienbraunen davor. Lizzie genoss den Schwall kalter Luft und hob grüßend die Hand, als er davonfuhr.
Während sie so in der Tür stand, betrachtete sie die gefro- renen Hügel. Eine dünne Schneeschicht bedeckte den Boden, durch die sich die Straße wie ein dunkles Band zog. Von Devil Strathmore war nichts zu sehen, aber nach dem Schneefall letzte Nacht erwartete sie ihn auch nicht vor morgen.
Lizzie schloss die Tür und ging zurück ins Wohnzimmer, wo Margaret gerade den Teetisch deckte.
Lizzie setzte sich ihrer Arbeitgeberin gegenüber, strich ih- ren beigefarbenen Baumwollrock glatt und wich dem erwar- tungsvollen Blick der Witwe aus.
„Nun?“ Lady Strathmore spielte mit dem langen Strang schwarzer Perlen um ihren Hals und betrachtete Lizzie wissend. „Was sagen Sie, Mädchen? Er ist sehr galant, nicht wahr?“
Lizzie zuckte die Achseln und nickte Margaret zu, dass sie entlassen war. Das Mädchen eilte hinaus.
„Oh, kommen Sie schon, Lizzie, er ist ein Schatz“, schalt die Witwe belustigt. „Mögen Sie ihn nicht?“
„Er ist sicher ein vorzüglicher Arzt, freundlich, kompetent und nett.“ Lizzie konzentrierte sich ganz auf das Teeeinschen- ken. „Aber ansonsten denke ich nicht über ihn nach.“
„Na, der arme Junge wird am Boden zerstört sein! Ich wa- ge zu behaupten, dass er eher kommt, um Sie zu sehen als mich, denn ich brauche ihn kaum noch.“
„Wirklich, Mylady, Sie wissen sehr gut, dass Dr. Bell nur Ihre Gesundheit am Herzen liegt.“
„So?“ Die Viscountess hob eine Braue. „Er hat mich im Ver- trauen gefragt, ob Ihnen wohl eine Ausfahrt in seiner Baru- che gefallen würde.“
„Was hat er? Gütiger Himmel!“ Erstaunt setzte Lizzie die Teekanne ab. „Sieht der Mann denn nicht, dass ich eine alte Jungfer bin?“
„Was für ein Unsinn, Miss Carlisle, Sie sind kaum zwanzig.“
„Diesen Herbst werde ich zweiundzwanzig“, korrigierte
Lizzie hitzig.
„Tz, tz, die Einzige, die entscheidet, ob eine Frau eine alte Jungfer ist, ist die Frau selber, meine Liebe.“
„Nun, wenn ich mich entschlossen habe, eine alte Jungfer zu sein, dann ist das allein meine Sache“, schnaubte Lizzie empört und sehr zur Belustigung der Witwe.
„Aber warum um Himmels willen, wenn doch annehm- bare junge Männer in guter Position bereitstehen, um Ihnen den Hof zu machen, trotz all Ihrer Versuche, sie abzuschre- cken? Undankbares Mädchen, Ihnen fehlt die weibliche Eitel- keit.“
„Was mir an Eitelkeit fehlt, Mylady, mache ich hoffentlich mit Vernunft wieder wett. Meine Leidenschaft gilt den Bü- chern, nicht einem Paar hübscher Augen oder wohlgeformter Waden.“
„Wollen Sie behaupten, dass Sie den Aufmerksamkeiten ei- nes netten jungen Mannes gegenüber immun wären? Das bin nicht einmal ich. Bin es nie gewesen.“
„Ein Mann ist ein Wesen, das alles sagt, um zu bekommen, was es will“, dozierte Lizzie und legte sich die Serviette auf den Schoß.
„Selbst der tugendhafte Bell, der von Haus zu Haus geht, um die Leiden seiner Nachbarn zu lindern?“
„Neue Kutsche, sagen Sie? Beeindruckend, wie viel
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