Gaelen Foley - Knight 05 - Rache im Blut
zu erklä- ren?“
„Ja, Mylady. Willkommen, Sorscha“, wandte sich Lizzie an das Mädchen. „Wenn du mir folgen möchtest?“
Sorscha Harris stand auf. Sie war ein schönes Mädchen von etwa siebzehn Jahren mit dem Gesicht einer Porzellan- puppe – ein blasses, rundes Gesicht, eine Fülle elastischer Lo- cken, die von einem rosa Band gehalten wurden, und große blaue Augen voller jugendlicher Unsicherheit.
Rasch drückte Sorscha noch einmal die Hand ihrer Mut- ter. Viele der Schülerinnen hier waren nie zuvor von ihren Müttern getrennt gewesen, und angesichts von Mrs. Harris Trauerkleidung wurde Lizzie klar, dass das arme Ding wahr- scheinlich gerade erst seinen Vater verloren hatte.
„Bist du sicher, dass du ohne mich auskommst, Mama?“
„Mir geht es gut, Liebling“, murmelte Mrs. Harris sanft und mit einem leichten irischen Akzent, aber ihr Gesicht war hinter dem Schleier nicht zu erkennen. „Lauf und genieße deine neue Schule. Sonntag komme ich wieder und gehe mit dir zum Gottesdienst. Du wirst dich benehmen, hörst du?“
„Ja, Mama.“
„Keine Sorge, Mrs. Harris, ich werde dafür sorgen, dass Ihre Tochter sich wohlfühlt“, versicherte Lizzie und lächelte Sorscha voller Wärme an. „Ich bin selbst noch recht neu hier, Miss Harris, also werden du und ich aufeinander aufpas- sen.“
Ein scheues Lächeln erschien auf Sorschas hübschem Ge- sicht.
„Warte, ich helfe dir“, setzte Lizzie hinzu, als das Mädchen nach seiner schweren Reisetruhe griff.
„Danke, Miss Carlisle.“ Sorscha errötete wieder und lä- chelte dankbar, als Lizzie mit anfasste.
Gemeinsam trugen sie die Truhe durch die Halle und die Treppe hinauf, wobei sie immer wieder darüber lachen muss- ten, wie sie sich abmühten. Als sie gerade oben angekommen waren, rief Mrs. Hall: „Oh, Miss Carlisle, das war hier gestern in der Post für Sie!“ Sie hielt einen Brief hoch. „Entschuldi- gen Sie bitte ... ich habe vergessen, ihn in Ihr Postfach zu le- gen.“
Sie stellten die Truhe ab, und Lizzie klopfte sich die Hände ab und rannte die Treppe wieder herunter, um den Brief zu holen. „Danke, Mylady“, murmelte sie, ehe sie zu Sorscha zu- rückkehrte. Dabei betrachtete sie nachdenklich den offiziell aussehenden Brief aus grauem Pergament. Absender: Kanzlei Charles Beecham, Esquire, Fleet Street, stand auf dem Um- schlag. DRINGEND. Irgendwie kam der Name Lizzie vertraut vor. Aber ihre neue Schülerin wartete auf sie, also steckte Lizzie den Brief ungelesen in die Tasche ihrer weißen Schür- ze und griff wieder nach ihrer Seite der Truhe.
Nachdem die Truhe sicher in den sonnigen Schlafsaal im Dachgeschoss des alten Hauses transportiert worden war, wies Lizzie der Neuen ein Bett und einen Schrank zu und be- gann dann, ihr beim Auspacken ihrer Sachen zu helfen.
„Wollen Sie denn Ihren Brief nicht öffnen?“, fragte Sorscha und warf einen Blick auf die Ecke des Briefes, der aus Lizzies Schürze ragte.
Lizzie grinste. „Ich habe versucht, höflich zu sein.“
„Mir würde es nichts ausmachen“, versicherte ihr das Mäd- chen fröhlich.
„Wenn das so ist ...“ Neugierig zog Lizzie ihren Brief her- vor und schob einen Finger unter das Wachssiegel. Dann faltete sie das Blatt auseinander und überflog hastig den Text.
Sorscha beobachtete sie. „Gute Nachrichten, hoffe ich?“
„Du meine Güte“, erwiderte Lizzie mit einem schmerzli- chen Lächeln, „es sieht ganz so aus, als hätte Lady Strath- more mir etwas in ihrem Testament hinterlassen.“
„Wer ist das?“
„Ein liebenswerter, alter Drachen, deren Gesellschafterin ich war, ehe ich hierher gekommen bin. Sie war nicht sehr ge- sund und ist leider vor ein paar Wochen gestorben. Ich kann
kaum glauben, dass sie sich die Mühe gemacht hat, mich in ihrem Testament zu bedenken.“
„Eine Erbschaft! Wie aufregend!“, rief Sorscha. „Was glau- ben Sie, hat sie Ihnen hinterlassen?“
„Ich weiß es nicht. Ich soll nur in die Kanzlei ihres Anwalts kommen, wenn das Testament verlesen wird.“ Was bedeutete, dass sie Devlin Wiedersehen würde. Träumerisch blickte sie in die Ferne. „Ich nehme an, dass ich es dort erfahre ... ich wette, ich weiß, was es ist!“, fiel ihr dann plötzlich ein. „Ei- nige ihrer Bücher!“
„Bücher?“, wiederholte Sorscha.
Lizzie sah sie traurig an. „Sie wusste, dass ich sie um ihre ausgezeichnete Bibliothek beneidet habe. Ich habe ihr oft erzählt, dass ich eines Tages meine eigene Buchhandlung er- öffnen möchte.
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