Gaelen Foley - Knight 05 - Rache im Blut
Dunkel- heit und eilte den Portman Square hinunter, wobei sie sich jedes Mal tiefer in den Schatten drückte, sobald eine Kut- sche vorbeikam. Hohe, elegante Stadthäuser säumten die breite Straße. Einige hatten kleine, geschwungene Alkoven angebaut, andere besaßen herrschaftliche Eingänge, zu de- nen drei oder vier Stufen hinaufführten. Fast alle waren mit Laternen und großen Fenstern in den oberen Stockwerken ausgestattet und waren durch schwarze Eisenzäune abge- schirmt.
Mit schmalen Augen versuchte Mary, in der Dunkelheit die Hausnummern zu erkennen, als eine kleine Kutsche in einem Höllentempo an ihr vorbeigerast kam. Sie wandte sich um und sah, dass das Gefährt vor einem der größten Häuser an- hielt. Diener liefen herbei, um die Köpfe der Pferde zu hal- ten.
Der Umriss eines Mannes war zu sehen, der aus der Kut- sche sprang und auf die Tür des Hauses zuging, das ein paar Häuser entfernt auf der anderen Straßenseite lag. Mary tat einen Schritt darauf zu.
Als die Haustür aufging, um den Mann einzulassen, hör- te sie den Lärm einer großen Party, ehe die Tür sich wieder schloss und die Geräusche dämpfte. Mit sinkendem Herzen dachte Mary an die Berichte in der Zeitung. Konnte es wahr
sein? Ein Blick auf die Hausnummer verriet ihr, dass es zu- traf.
Fasziniert bewegte sich Mary auf das Haus zu, blieb aber im Schatten der Bäume auf der anderen Straßenseite. Es war ein hübsches, braunes Sandsteinhaus mit drei Stockwerken und vielen Fenstern sowie einem gusseisernen Balkon im ers- ten Stock.
Mary sah die Silhouette einer lockigen Frau, die einem Mann die Arme um den Hals schlang und dann fröhlich auf- kreischte, als er sie hochhob und spielerisch einem zweiten Mann zuwarf.
Staunend sah Mary zu und dachte an ihre eigene Vergan- genheit, in der sie Ähnliches erlebt hatte. Voller Bitterkeit wurde sie dann Zeuge, wie ein zweiter Rennwagen vor dem Haus vorfuhr und weitere Gäste auslud – zwei Männer und zwei betrunken kichernde Frauen, die bestimmt keine Da- men waren.
Als das Quartett ins Haus gegangen war, verließ Mary ihr Versteck, eilte die Straße hinunter und bog um die Ecke. Dort duckte sie sich hinter die Mauer eines Hofes, in dem die Kut- schen und Ställe untergebracht waren.
Als sie von hinten an das Haus Lord Strathmores heran- kroch, sah sie, dass alle Fenster und die Terrassentüren weit offen standen. Das erlaubte ihr freie Sicht auf die hemmungs- lose Feier, von der der Zigarrenduft der Herren und das bil- lige Parfum der Huren zu ihr drangen und eine Flut unwill- kommener Erinnerungen in ihr wachriefen.
Plötzlich stockte ihr das Blut in den Adern. Denn als sie die Fenster der Reihe nach betrachtete, sah sie im Esszimmer das Gesicht von Quint.
Erschrocken stieß Mary die Luft aus. Ein halbes Dutzend Männer saßen um den Esstisch und spielten Karten.
Carstairs!
Ihr Herz hämmerte in der Brust, und ein Gefühl drohenden Unheils ließ sie erzittern.
Himmel, sie hatten ihn schon! Der junge Mann, der zwi- schen ihnen saß, hatte schwarze Haare und lächelte lässig. Ein Zeichen, das er einem der Diener gab, zeigte ihr, dass er der Gastgeber war – und kein anderer als Devlin Strathmore. Der Diener trat vor und schenkte ihnen allen aus einer Fla- sche nach.
Verwirrt und verstört wandte Mary sich ab. Was soll ich jetzt tun? Still verließ sie ihr Versteck und eilte durch die Kälte zurück zu ihrer Kutsche, die im Portman Square war- tete, und die ganze Zeit fragte sie sich benommen, ob sie am Ende umsonst gekommen war.
10. Kapitel
Als der Tag der Testamentsverlesung gekommen war, mach- te Lizzie sich in dem zweirädrigen Gouvernantenwagen, den Mrs. Hall gelegentlich den Lehrerinnen zur Verfügung stell- te, auf den Weg zur Kanzlei. Sie war keine erfahrene Fahre- rin, konnte sich aber gut an Devlins Anweisungen aus jener einen Fahrstunde in Bath erinnern, und das Pony war zum Glück ein so sanftmütiges Tier, dass selbst ein Schuss aus Wellingtons Kanone es nicht würde erschrecken können, so stoisch trabte es den Weg entlang. Sie hingegen fühlte sich längst nicht so ruhig.
Die Aussicht, Dev wieder zu sehen, erfüllte Lizzie mit Un- ruhe. Es schmerzte sie immer noch, wie kurz angebunden er sie aus seinem Leben entlassen hatte, aber gerade hatte ein weiterer Artikel über seine Ausschweifungen in der Morning Post gestanden, und langsam fing sie an zu überlegen, ob der Mann sich nicht umbringen würde, wenn nicht jemand auf ihn zuging. Lady Strathmore hatte
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