Gaelen Foley - Knight 06
anderen Spieler waren ihm gegenüber im Vorteil. Aber noch ein weiterer Umstand war von Nachteil: Kurkow saß zu seiner Linken, was bedeutete, dass der Prinz im Vorteil ihm gegenüber war, außer, wenn der Russe anfangen musste. Wenigstens war es an Alec zu mischen, was er nun auch tat. Dann reichte er die Karten Drax, der ihm zunickte, abhob und den Stapel dann dem Geber reichte, wie es die Spielregel war. Die erste Trumpffarbe war wie üblich Herz.
„Sollen wir anfangen?“, fragte Tallant, der Tigerjäger, und ließ seinen Blick in die Runde schweifen. Dann fuhr dieser fort, dreizehn verdeckte Karten an jeden am Tisch auszugeben.
Die Zuschauer im üppig ausstaffierten Salon der Jacht beug- ten sich vor und beobachteten die Gesichter der Spieler. Ihre Wetten würden die ganze Nacht im Umlauf sein, denn einige von ihnen versuchten, den Verlust der zehntausend Pfund wie- der auszugleichen, der ihnen durch ihr Ausscheiden in den ers- ten Runden entstanden war.
Während er seine Karten aufnahm, tat Alec sein Möglichstes, um das Echo von Beckys mitleiderregenden Schreien aus sei- nem Gedächtnis zu verbannen und sich ganz auf das Spiel zu konzentrieren. Hinter der kühlen Fassade blutete ihm das Herz, aber er hatte getan, was er konnte.
Mit zusammengebissenen Zähnen schob er sein eigenes Leid beiseite und betrachtete mit ausdrucksloser Miene sein Eröff- nungsblatt. Nicht schlecht. Nicht perfekt, aber man konnte da- mit arbeiten ...
Der große Wettstreit begann.
Beim siebenten Stich führten Alec und Drax mit soliden drei Punkten, aber beim achten kam Tallant mit der Karo-Dame he- raus und nahm den Stapel. Der neunte schenkte Alec wieder die Führung. Er warf seine stärkste Karte, die Herz-zehn, und der Punkt ging an ihn, denn niemand konnte mit einer besseren Karte aufwarten. Am Ende der ersten Runde führten Drax und er mit einem Punkt.
Es blieb die ganze Nacht lang so, beide Teams lieferten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Keines von beiden konnte einen Vorsprung von fünf Punkten erreichen, der notwendig gewesen wäre, um zu gewinnen.
Jedes Mal, wenn das eine Team einen Punkt gewann, zog das
andere nach, schon herrschte wieder Gleichstand. Erst nach Mitternacht führten Alec und Drax mit zwei Punkten, aber bis dahin begann Alec sich bereits zu fragen, ob dieses Spiel jemals enden würde.
Um ein Uhr legten sie eine Pause ein.
Alec erfrischte sich das Gesicht und bat um Tee mit Zucker, Drax dagegen zog sich in den Waschraum zurück. Während er über das Deck schlenderte, um sich die Beine zu vertreten, blickte Alec hinauf zu den Segeln der Jacht und dachte dabei an ein kleines Mädchen, das einst ein Kriegsschiff der Marine als Kinderzimmer gehabt hatte. Offensichtlich wurde ihr Mut schon früh gestärkt. Sehr ungewöhnlich.
Sie war so außerordentlich, so wunderbar eigenartig.
Er starrte über die Reling hinunter auf die Wellen – endlich ein paar Minuten, in denen er sich nicht so angespannt konzent- rieren musste. Wieder dachte er an Becky und ihre aufgebrach- ten Abschiedsworte, dass er – wenn er in dieser Nacht seinen Hals riskierte und Kurkow tötete – das für sich tat, nicht für sie. Er hatte das als absurd abgetan, als sie es sagte, aber vielleicht war da trotz allem doch etwas Wahres dran. Verdammt, wenn er jetzt versagte, dann wusste er nicht, wie er ihr je wieder in die Augen sehen sollte – ganz zu schweigen davon, was er von sei- nem eigenen Spiegelbild halten sollte. Der Tod schien ihm zu- mindest ein wenig angenehmer als die Vorstellung, mit leeren Händen Becky gegenüberzutreten, nachdem sie doch schon so weit gekommen waren ...
Der Schmerz, den er ihr in dieser Nacht zugefügt hatte, lähm- te ihn beinahe, aber er versuchte, ihn abzuschütteln. Er konnte es sich nicht leisten, sich so ablenken zu lassen. Das Spiel war noch nicht vorüber.
Die Kühle der nächtlichen Seeluft hatte seine Lebensgeister wieder geweckt, und so verließ er die Reling und wanderte ru- helos zurück, wobei er hörte, wie Kurkow gegenüber seinen Zu- hörern damit prahlte, seine Gegner fertigzumachen, ehe der Tag anbrach.
Wir werden sehen, dachte Alec und ließ seinen nachdenk- lichen Blick auf dem Prinzen ruhen, während er selbst im Schatten unbemerkt blieb. Kurkows kantiges Gesicht und sein schmaler Bart wirkten im orangefarbenen Licht der nahen Fa- ckel unheimlich, und Alec konnte nur bestätigen: Er wollte
Kurkow umbringen, ja, mit jeder Faser seines Körpers sehnte er sich danach. Den Schurken
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