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Gaelen Foley - Knight 06

Gaelen Foley - Knight 06

Titel: Gaelen Foley - Knight 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nacht der Sünde
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sehen, die auf einem Baumstumpf zwischen Gänseblümchen und anderen Wildpflanzen stand. Das raue Schreien des Vogels zerrte an ihren Nerven, die bereits zum Zerreißen gespannt waren. Hinter dem Stumpf, auf dem das Tier hockte, führte ein gewundener Weg einen steilen Hang hinab durch die schattigen Wälder. Weit, weit entfernt hörte sie das rhythmische Rauschen des Meeres.
    Der Raum, in dem man sie eingesperrt hatte, enthielt nichts als einen groben Tisch aus fauligem Holz und eine Bank in einem etwas besseren Zustand, die man an die Wand gerückt hatte. Die zerbrochenen Fliesen zu ihren Füßen waren mit Staub bedeckt, und eine große braune Spinne huschte vorbei. Der Himmel über ihr, den sie durch ein großes Loch im Dach sehen konnte, war von einem strahlenden Himmelblau, so blau wie Alecs Augen.
    Der Gedanke an ihn verlieh ihr Kraft, und gleichzeitig droh- te er ihre stoische Haltung zunichtezumachen. Sie weinte nicht mehr. Es waren genügend Stunden vergangen, um ihr anfängli- ches Entsetzen in kalten Zorn zu verwandeln.
    Aber hinter ihrer äußeren Ungerührtheit war sie beinahe krank vor Sorge um Alec sowie um Fort und Rush. Die zwei Freunde von Alec hatten so tapfer gegen die Kosaken gekämpft, wenn auch vergebens. Als sie sah, dass man die beiden umbrin- gen würde, hatte Becky sich freiwillig mitnehmen lassen.
    Und was Alecs Schicksal betraf, so konnte sie nur Vermutun- gen anstellen, denn sie wusste nichts darüber. Lebte er noch? Hatte er Michail auf dem Boot umgebracht, wie er es geplant hatte? Hatte man ihn eingesperrt, oder war er seinerseits von den Wachen des Regenten getötet worden? Sie durfte auf keinen Fall daran denken, dass er möglicherweise tot war.
    Nein, das schwächte und erschütterte sie zu sehr, und gerade jetzt benötigte sie all ihre Energie und ihre Geistesgegenwart, um sich gegen die Wahnsinnige zu behaupten, die sie quälte. Jetzt wusste Becky, wie sich die Maus fühlte, wenn die Kat- ze sie gefangen hatte, mit ihr spielte und ihr wehtat, ehe sie sie

schließlich verspeiste.
    „Es ist nicht nett, herumzulaufen und Lügen über Ihren Vor- mund zu verbreiten, liebe Becky.“
    „Ich habe über Michail keine einzige Lüge erzählt. Er ist der Lügner!“
    Klatsch!
    Lady Campion versetzte ihr einen weiteren Hieb mit der Reit- gerte quer über das Gesicht. „Ich mag keine Kinder, die Lügen erzählen.“
    Becky war nicht bereit nachzugeben. „Ich bin kein Kind.“
    „Doch, das sind Sie. Ein hübsches junges Ding, nicht wahr? Aber viel zu hübsch. Wissen Sie, was das ist?“, säuselte die Fürs- tin und hielt eine gläserne Phiole mit einer zähen, klaren Flüs- sigkeit hoch.
    Einen Moment lang schloss Becky die Augen. „Nein.“
    „Vitriolöl. Eine konzentrierte Form von Schwefelsäure. Vit- riolübergriffe gibt es in London ständig. Wenn man eine Phiole wie diese gegen jemanden schleudert, so wird er blind, gleich- zeitig wird das Gesicht schrecklich entstellt. Sehen Sie ...“ Eva riss ein Stück des Ärmels von Beckys Kleid ab und trug den Fetzen zum Tisch hinüber. Sie ließ einen Tropfen Vitriolöl da- rauf fallen, und gleich darauf fraß die Flüssigkeit ein Loch in den Stoff. „Stellen Sie sich vor, was dieses giftige Zeug alles mit Ihrem hübschen Gesicht anstellen kann“, murmelte sie und ließ ihren behandschuhten Finger über Beckys Wange gleiten. „Ich frage mich, ob unser schöner Alec Sie noch haben will, wenn Ihr Gesicht weggeätzt ist. Ich fürchte nein, denn, nun ja, unter uns Frauen gesagt – er ist doch recht oberflächlich, nicht?“
    Becky sah sie an, wollte aber weder zurückzucken noch um Gnade betteln.
    Plötzlich hörten sie, wie Hufschläge über den Pfad näher ka- men.
    „Ah!“ Lady Campion schob den Stöpsel zurück in die Phiole mit der Säure und glitt hinüber zum Fenster. „Er ist da!“ Die Baroness wandte sich mit einem verächtlichen Blick an Becky. „Jetzt sind Sie wirklich in Schwierigkeiten.“
    Als die Baroness hinauseilte, um ihren Liebhaber zu treffen, und die schwere, verwitterte Tür hinter sich ins Schloss zog, sank Becky auf der Bank vornüber und versuchte, sich auf die Begegnung mit Michail zu konzentrieren. Ihr Herz schlug beun-

ruhigend schnell. Weil ihre Hände hinter dem Rücken gefesselt waren, schmerzten ihre Schultern. Sie war erschöpft, durstig und bedeckt vom Staub der Straße, und Lady Campions Quäle- reien ängstigten sie.
    Sie hörte Michails Stimme – und zog sich weiter in sich zu- rück, erinnerte

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