Gaelen Foley - Knight 06
nach unten. Stattdessen griff er nach seiner Waffe.
„Gut. Dann also auf deine Art.“
O nein! Jetzt würde er sie einfach erschießen.
Aber zu ihrem Erstaunen entlud er die Waffe mit einem grau- samen Lächeln und ließ die Metallkugel auf den Tisch fallen. Sie rollte davon und fiel auf den Boden, wo sie in einer Rille zwischen den Fliesen liegen blieb.
„Egal“, flüsterte er und hielt ihr die Waffe an die Lippen. „Küss ihn“, befahl er.
Unbehaglich wandte sie sich ab, als er den Lauf seiner Waffe an ihrem Mund rieb. Ihr Herz schlug schneller, und dann schrie sie leise auf, als er die Waffe an ihren Schenkel hielt, um das Me- tall anzuwärmen. Vor Abscheu machte sie große Augen. Sie be- griff, was er vorhatte, schrie und trat um sich, um ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen. Michail lachte und presste sie zurück auf die Bank. „Psst, lieg still. Du machst es nur noch schlimmer für dich.“
Sie kämpfte so heftig, wehrte sich so sehr, dass keiner von bei- den den Reiter bemerkte, der herankam. Michail lachte und ver- suchte, mit der Waffe in sie einzudringen, als plötzlich jemand heftig gegen die Tür schlug. „Hoheit! Auf ein Wort, Sir.“
„Was ist?“, rief Michail.
Ein Wortschwall auf Russisch folgte, es klang aufgeregt, doch das einzige Wort, das sie verstand, lautete „Westland“.
Sie ahnte nicht einmal, was der Kosak gesagt hatte, all ihre Aufmerksamkeit war auf Michail gerichtet und seinen entsetz- lichen, demütigenden Angriff gegen sie. Sie merkte nicht ein- mal, dass sie weinte. Sie folgte nur noch ihren Instinkten und konnte an nichts anderes mehr denken als daran, sich gegen ihn zu verteidigen.
Doch welche magischen Worte der Kosak auch immer gesagt haben mochte, Michail ließ sie los, nahm zögernd die Hand von ihrer Kehle. Becky aber empfand so viel Zorn, dass sie noch im-
mer um sich trat, als er schon längst von ihr abgelassen hatte.
Er wandte sich um und schlug ihr ins Gesicht. „Setz dich hin.“
Becky verlor das Gleichgewicht, fiel gegen die Wand und schlug sich so fest den Kopf an, dass sie bewusstlos auf die Bank sank.
„Nelyudow ist in Brighton?“, wiederholte Michail.
„Wir haben es zuerst gar nicht bemerkt, so schnell verschwand er im Haus des Dukes. Es war dunkel.“
„Westland hat ihn empfangen?“
„Ja, Hoheit. Sie haben einige Zeit miteinander gesprochen. Lady Parthenia war dabei. Irgendwie müssen die Westlands un- sere Anwesenheit bemerkt haben, denn Nelyudow kam heraus. Boris und Juri hat er umgebracht und Vlad gefangen genom- men, aber ich konnte fliehen.“
„Es gibt nur einen Grund, aus dem der Zar seinen besten Agenten nach mir schickt“, murmelte Michail und dachte da- ran, wie schlecht die Verständigung zwischen ihm und seinen Mitverschwörern in Russland geklappt hatte. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Ihm wurde plötzlich übel, doch es gelang ihm, nach außen hin Ruhe zu bewahren. „Der Plan wurde auf- gedeckt.“
„Es ist schlimmer als das, Sir. Nelyudow hat die örtliche Gar- nison verständigt, um Sie festzunehmen. Nachdem er uns bei den Westlands kaltstellte, ging ich in Ihr Hotel, weil ich an- nahm, dass Sie nach dem Kartenspiel dorthin gegangen waren. Dort warteten mindestens zwanzig schwer bewaffnete Drago- ner, um Sie festzunehmen.“
„Verdammt!“ Michail schlug gegen die Tür, sodass seine Fin- gerknöchel bluteten. Er hatte das Gefühl, als würden die Wän- de ihn erdrücken. „Das kleine Biest hier muss es irgendwie ge- schafft haben, zu den Westlands vorzudringen, trotz all unserer Bemühungen, gerade dies zu verhindern. Vermutlich hat Alec Knight ihr dabei geholfen.“ Kühl starrte er den Kosak an. „Das ist Ihre Schuld. Es war Ihre Aufgabe, sie zu finden und aufzu- halten, bevor so etwas passierte. Sie haben versagt.“ Er ließ den Krieger stehen. In seinen Schläfen pochte es.
Die Kosaken, die in der Zwischenzeit eingetreten waren, wechselten einen unbehaglichen Blick.
„Ich werde Rebecca selbst befragen, um herauszufinden, wie viel sie Westland gesagt hat.“ Michail betrachtete die aufge- platzte Haut an seinen Fingerknöcheln. „Nun, wie es scheint, ist das Spiel zu Ende.“
Sergej mischte sich nun ein. „Sir, wir sind nicht weit vom Meer entfernt. Warum auf Lady Campion und den Engländer warten, wenn noch Zeit zur Flucht bleibt? Es wäre ein Leich- tes, ein Boot zu bekommen und zu verschwinden, ehe sie uns entdecken.“
„Fliehen?“ Der Gedanke an einen Rückzug gefiel Michail nicht,
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