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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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gehen. Am Ende hatte Gertrud auch Schiller umgebracht. Warum eigentlich nicht? Dieser Feldherr, der sich der Frauen annahm wie ein Psychotherapeut, aber mit dem Willen, sie seiner mentalen Stärke zu unterwerfen, hatte ihr womöglich damit gedroht, ihre Liebe zu Horst, welcher Art auch immer sie war, an den Ehemann zu verraten.
    Fragte ein Mann wie Schiller, was ihm das brachte? Es brachte ihn in jedem Fall in den Genuss ängstlicher Augen der Gattin des Chefs. Es erweiterte seine Macht. Es hätte ihn sogar unkündbar gemacht, wenn er klug genug gewesen wäre, den Druck auf Gertrud in dieser Richtung auszunutzen. Eine fleißige Turnlehrerin, deren eheliches Vermögen im Betrieb ihres Mannes steckte, trennte sich nicht so leicht, um mit einem erfolglosen Bodybuilder in einer Dreizimmerwohnung zu hausen. Wenn aber Schiller darauf hingearbeitet hatte, Horst bei Fängele anzuschwärzen, zum Beispiel indem er ihm den Pillenhandel in die Schuhe schob, dann hatte vielleicht sogar Horst selbst die Nerven verloren.
    Er hatte doch schon zugegeben, dass er an jenem Abend auf den Hauptschlüssel aus gewesen war. Was, wenn es gar nicht darum gegangen war, ein Schließfach zu öffnen, und was, wenn Horst sich den Schlüssel sogar von Schiller hatte geben lassen, um dann die Feuertreppe hinaufzuschleichen, durch den Notausgang in die Abteilung einzudringen, in der Schiller gerade die Bank zusammengeschraubt hatte, und den Feldherrn zur Rede zu stellen. Schiller auf die Bank zu plätten und ihm mit derselben Bewegung die Gewichtstange in den Hals zu wuchten, dazu war Horst gewiss stark genug gewesen.
    Bergab auf weichen Waldwegen trugen meine Füße mich mühelos und meine Gedanken gleich mit. Als ich den Keil am Notausgang entdeckte, sah Horst sich kurz vor der Entlarvung. Sinnlos wäre der Hinweis darauf, dass er gar keinen Hauptschlüssel besaß, sinnlos, dass Gertrud bestätigen würde, dass sie ihren Schlüssel nicht aus der Hand gegeben hatte, wenn diese verdammte Tür doch gelegentlich offen stand. Horst bat einen Freund aus dem Fundus seiner Vergangenheit als Kickboxer und Messerstecher, einen Judoka vielleicht oder am besten einen Sumo-Ringer, ihn beim Überfall auf mich zu begleiten. Schmeichelhaft, dass er es sich nicht allein zutraute, mir das Genick zu brechen. Zugleich war es die Er klärung, warum der andere vor Senta die Flucht ergriffen hat te, ohne die Arbeit zu vollenden. Es war ja nicht seine Sache gewesen.
    Wir schwenkten am Friedhofstor in die Schrebergärten, ich vornedran, denn die Ideen trugen bis in die Gewissheit, dass sie zu beweisen waren, jetzt, da ich wusste, wo es langging. Zunächst einmal musste ich Gertrud anzeigen.
    Bereits daheim unter der Dusche verlor das schöne Konstrukt an Konsistenz. Man bringt doch niemanden um, nur weil einem Verrat an den betrogenen Ehemann und infolgedessen Entlassung droht. Horst hätte auch woanders als Trainer arbeiten können. Und wenn Gertrud sich von Fängele scheiden ließ, dann konnte sie ihr Vermögen ja mitnehmen. Sie anzuzeigen hatte ich auch keine Zeit, denn ich hatte einen Termin mit den Bodybuildern in der Liederhalle.

25
     
    Missmutig nach einer Nacht mit drei Katzen und einem furzenden Hund in Sallys Bett, suchte ich in Sallys Badschrank nach Aspirin. Sie hatte alles, nur das nicht. Es hätte vermutlich auch nichts genützt gegen den Sonnenbankbrand auf meinem Rücken.
    Die ganze Nacht waren bronzefarbene Körper durch mein Hirn geturnt, angespannt bis zum Zerreißen, triefend vor Öl und Schweiß, die Adern wie Schnüre unter der Haut, aufgepumpt vom Schnaps, den man kippte kurz vor dem Auftritt auf der schmucklosen Bühne im Gedröhn von Discomusik und unter den Begeisterungsschreien des Moderators über gut definierte Bodys. Und nun stand ein Sonntagvormittag in der Redaktion an, um Pits Ansprüchen an sauberen Journalismus Genüge zu tun.
    Als ich mir die Lederjacke überzog, fiel mir auf, was mir schon vorgestern oder gestern hätte auffallen müssen: Sie klapperte. Ich langte erst links, dann rechts in die Innentasche und hielt alsbald die grüne Schachtel mit den Turbostreifen in der Hand. Das Döschen klackte inhaltsreich. Gertrud hatte mir am Donnerstagabend die falsche Packung abgenommen, nämlich die leere Sallys.
    Der Deckel löste sich mit einem Plopp vom Döschen. Darin rund ein Dutzend kleiner gelbweißer Kapseln. Da ja nun feststand, dass das Mittel nicht tödlich war, und da ich einer Aufmunterung dringend bedurfte, warf ich mir eines

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