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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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verbogenen Löffel und Kuchengabeln, der gebrochenen Tischbeine und geborstenen Plastikstühle. Oma Scheible beschwor das Glück, dass sich niemand unter der Plane befunden hatte, als ich hineinknallte, und dass keines der beiden Kinder der Matuscheks zu Schaden gekommen war. Nach gefühlten Stunden erreichten wir meine Wohnungstür. Oma Scheibles Schlüssel trat in Aktion. Ihre naseweise Mitteilsamkeit trieb die Tür auf. Gegen den Wind der Worte bekam ich sie auch nicht zu. Oma Scheible trat ein.
    »Sie solltet sich glei nalege. Sie sehet arg mitgnomme aus. Mei Dode …« Sie meinte ihre Tante. »… hats au mit dem Ischias. Do isch Wärme gut. Hen Sie a Bettflasch?«
    Christoph warf meine Jacke über den Stuhl und begann, sich in der Wohnung umzusehen. Er öffnete Küchenschränke, zog Schubladen auf.
    »Was sucht jetz’ au der?«
    »Meinen Hausschlüssel«, sagte ich.
    Oma Scheible starrte verblüfft auf den Tisch. »Aber da ischer doch!«
    Ein kühler Wind strich durchs immer noch offenstehende Fenster herein. Er brachte das aufgeregte Geschnatter der Leute vom Hinterhof. Christoph verschwand in meinem Schlafzimmer. Ich griff zum Telefon und versuchte, die Nummer von Gotthelf Fängele zu aktivieren, auf die ich im Telefonbuch am Charlottenplatz so lange gestarrt hatte. Ich ließ keinen Zweifel aufkommen und tippte das, was mir einfiel. Es klingelte drei, vier Mal.
    »Fängele.«
    »Herr Fängele«, raunte ich, »Lisa Nerz hier. Bitte legen Sie nicht auf. Es ist wichtig. Ich brauche Ihre Hilfe. Ich suche Weber. Und ich kann Katrin nicht erreichen.«
    »Katrin?« Fängeles Stimme klang wie aus dem Mittagsschlaf geholt.
    »Es geht um Leben und Tod!«
    Mehr konnte ich nicht sagen, denn Christoph stürzte herbei und legte die Hand auf den Unterbrecher. »Schluss jetzt!« In der Hand hielt er eine dieser grässlich grünen Schachteln mit den Turbostreifen. Seine Miene war bullenernst. »Jetzt hört der Spaß aber auf.«
    Oma Scheible äugte. Da hatte er nämlich seine Zeugin.
    »Jetzt hab dich mal nicht so, Christoph!«, sagte ich. »Die Schachtel hast du doch aus meiner Jacke. Und das hatten wir schon.«
    »Frau Scheible«, sagte er, »Sie sind Zeugin!«
    »Was, wie?« Oma Scheible wurde sperrig. »Für was soll i Zeugin sein? I hen nix gsähe. I woiß nur, es war das gute Sonntagsgschirr von dene Matuscheks, das wo zu Bruch gan ge isch. Sie hens zwar im Sonderangebot kauft, aber die wellet den Schade ersetzt hen.«
    »Ich denke, fünfhundert dürften reichen«, sagte ich.
    Oma Scheible strahlte. »Knausrig waret Sie noch nie, des muss ma Ihne lasse.«
    »Gib der Dame schon das Geld«, sagte Christoph.
    »Des isch net mei Geld, des ghört dene Matuscheks!«
    »Dann holen Sie diese Matuscheks. Damit alles eine Ordnung hat.«
    Oma Scheible wuselte die Treppe hinab. Christoph zündete sich eine Zigarette an und trat kopfschüttelnd ans offene Fens ter. »Wen hast du eben angerufen?«
    Ich lachte höhnisch.
    Er sah mich aufmerksam an. »Musst du es uns so schwer machen?«
    »Was denn?«
    Das Getrampel vor der Tür und das Erscheinen Oma Scheibles enthob ihn einer Antwort. Herr und Frau Matuschek und ihre beiden Kleinkinder quollen in meine Wohnung. Sie wischte sich das geblümte Schürzenkleid glatt. Er trug seinen beachtlichen Bauch über Shorts und Stachelbeerbeinen mit Gelassenheit. Die Kinder starrten mit großen Augen in meiner unbürgerlichen Wohnung herum. Oma Scheible vermittelte. Die Matuscheks erkundigten sich zuerst artig nach meinem Befinden, bevor sie stringent auf die Höhe der Summe zusteuerten, in die sie sich beim Gekakel unten am Hof hineingesteigert hatten. Sie haspelte, er wachte argwöhnisch über meine Reaktion auf ihre Aufzählung zerstörten Geschirrs und Mobiliars. Er war bereit, um jede Mark zu kämpfen wie ein Mann, als seine Frau bei 450 Mark ankam.
    »Sagen wir sechshundert«, sagte ich. »Für den Schreck!«
    Der Mann wurde gemütlich, die Frau versonnen. »Sie haben doch sicher eine Haftpflichtversicherung«, entschuldigte sich Matuschek. »Wenn Sie Rechnungen brauchen …«
    »Darüber reden wir noch. Jetzt kriegen Sie erst mal Ihr Geld.«
    Christoph nahm meine Jacke vom Stuhl und fischte nach dem Geldbeutel. Matuschek kratzte sich den Bauch.
    Ich fischte in meinem Geldbeutel herum. »Oh, wie dumm! Ich habe nur hundertfünfzig.«
    Matuschek plusterte sich auf. Er hatte es doch geahnt.
    »Aber wir könnten schnell zum Automaten.«
    »Okay.« Für Matuschek war die Summe zu hoch und damit

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