Gaisburger Schlachthof
lauten Stimme. »Was soll ich denn tun?«
»Das weißt du ganz genau!«
»Soll ich sagen, dass ich Weber am vergangenen Montag kurz nach acht in den Saal der Langhanteln habe hineingehen sehen? Soll ich offiziell zu Protokoll geben, dass Weber gegen halb neun ziemlich blass im Bistro herumsaß? Das war übrigens tatsächlich so. Er saß im Bistro, als Horst Schillers Leiche entdeckte. Und ich hatte damals schon den Eindruck, dass er bereits wusste, dass es Schiller war, der tot auf der Drückbank lag. Ist es das, was du von mir willst? Eine eindeutige Zeugenaussage gegen Weber?«
»Zum Beispiel.«
»Und es sind seine Fingerabdrücke auf der Drückbank, nicht meine. Denn ich habe das Gerät definitiv nicht angefasst. Deine Zeugeneinschüchterung mit mir hättest du dir sparen können, Christoph. Du brauchst von mir keine Zeu genaussage gegen Weber. Mit diesen Fingerabdrücken hast du ihn doch schon. Es sei denn, es sind eigentlich deine.«
Christoph schüttelte unwillkürlich den Kopf. Um seine Kieselsteinaugen herum begann Hoffnung zu brutzeln.
»Na bitte!«, sagte ich. »Dann musst du Weber doch nur noch erkennungsdienstlich behandeln lassen. Fertig.«
Christophs Blick erweichte sich, wurde diffus und nebelte in die Ferne. Zwar richteten sich seine Augen nicht dorthin, wo sich die parallelen Geraden schneiden, aber doch immerhin ans Ende der Perspektive der Betonrollbahn für die Kühl laster des Großmarkts, die eine gewisse Unendlichkeit fingierte.
Mitten hinein piepte plötzlich das Funktelefon auf der Schaltkonsole seines Wagens.
Christoph kehrte in die Raumverhältnisse der Gegenwart zurück, orientierte sich, schob mich beiseite, öffnete die Beifahrertür und holte den Hörer heraus.
Links von mir flohen endlose Gassen, rechts die Gleise. Rundum Rampen und Hallen. Jetzt, wo es nicht mehr nötig war, hätte ich versuchen können wegzulaufen. Aber meine Füße wurzelten.
»Ja, ich komme.« Christoph ließ den Funkhörer sinken und sah mich verblüfft an. »Dein sauberer Freund«, sagte er langsam, »hat sich doch tatsächlich im Schlachthof erhängt.«
27
Auf dem Parkplatz standen zwei Autos, ein alter Renault und Richards silbergrauer Mercedes. Christoph killte den Motor. Abendsonne flitterte in den jungen Bäumen. Der Klotz der alten Fabrik mit der modernen, blau gerahmten Glastür brüte te unter blassblauem Himmel.
Es fehlte die Schutzpolizei. Wenigstens ein weißgrüner Wagen hätte hier stehen müssen, wenn Christoph vom Führungs- und Lagezentrum, kurz FLZ, landläufig auch Funkleitzentrale genannt, wegen eines Todesfalls im Schlachthof angerufen worden war. Aber das begriff ich erst hinterher.
»Du bleibst besser hier!«, sagte er und stieg aus.
Ich quälte mich aus dem Auto. Wollte ich mir diese Leiche wirklich antun? Würde ich andernfalls jemals wieder aufhören zu zittern?
Die Schlachthoftür spiegelte kurz die Sonne durch meine Augen. Katrin trat auf die Stufen. Sie trug, wie mitten aus dem Balkonurlaub geholt, knielange grüne Radlershorts und ein T-Shirt. Harte Muskeln unter gebräunter Haut. Ihr Gesicht war versteinert, der Zopf ein gestrenges Flechtwerk auf ihrem Rücken. Sie fasste mich bremsend am Handgelenk.
Da war Christoph schon den dunklen, steinernen Aufgang zur Rezeption hinaufgesprungen und drehte sich auf dem Treppenabsatz um.
»Oben«, sagte Katrin.
Der Polizist verschwand um die Ecke in den Maschinensaal. Ich hörte die Treppe unter seinen Turnschuhen beben, während Katrin die Panzerglastür abschloss und mich erneut am Handgelenk fasste.
Der Empfang war dunkel. In der Halle ruhten die Maschinen in stählernem Gestänge und hellblauen Bezügen, das Parkett schimmerte. Ich stolperte in die erste Stufe der fragilen Treppenkonstruktion. Das Metall sang. Im ersten Stock lagen kalt und schwer die Fausthanteln paarweise nach der Größe im Ständer aufgereiht. Am Haken am Pfeiler hingen die Seile zum Warmspringen. Vermutlich fehlte jetzt eines.
Leise knirschte die Gummierung unserer Sohlen auf den Stufen. Der taubengraue Teppich des Dachgeschosses tauchte auf, die Vitrine mit den Pokalen und Urkunden, die weißen Wände der Dojos. Hier fehlten die Spiegel. Das war mir nie aufgefallen.
Christoph stand an der Tür zum Karatedojo. Mein verkrampftes Hirn gab die Erinnerung an die Haken frei, an denen man die Sandsäcke aufhängte.
»Was geht hier vor?«, fragte Christoph schneidend.
Das fragte ich mich auch.
An der Theke lehnte der Ninja Waldemar, aufreizend
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