Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
Weininger«, sagte Richard, »ich muss Sie auffordern, mir Ihre Dienstwaffe auszuhändigen.«
    »Sie haben hier überhaupt nichts zu fordern!«
    Waldemar tat wieder nichts, aber Christoph spürte die Gefahr und spannte den Arm. Er zielte dem Karateka direkt zwischen die Augen. Aber Waldemar blinzelte nicht. Nach seiner Auffassung war Karate reine Selbstverteidigung. Ich hoffte inständig, dass er nicht so besessen von dieser Idee war, dass er den Schuss abwartete, bevor er angriff. Und Christoph konnte unmöglich schießen.
    »Bitte nicht!«, stöhnte ich. Aber auf mich hörte derzeit ohnehin keiner.
    Neben mir spannte sich Katrin zum Kampf und machte einen halben Schritt vorwärts. Christophs Auge zuckte. Unsichtbar schnell setzte Waldemar den Fuß vor und kickte mit dem anderen gegen Christophs bewaffnete Hand. Die Walter PK flog. Christoph duckte sich und rollte seitlich ab, erhaschte seine Pistole wieder und sprang hoch. Genau vor mir wuchs er aus dem Boden mit einem Gesicht wie ein Zombi. Ich wollte zurückweichen und fiel wie ein Baumstamm gegen Katrin, die damit der Möglichkeit beraubt war, Christoph zu packen und zu werfen. Er preschte zur Treppe, bog um die Ecke und war weg. Man hörte, wie er mit quietschenden Gummisohlen über die Gummierung der Stufen mehr rutschte als rannte. Der Stahl sang.
    Waldemar huschte zur Treppe und schaute hinunter. Katrin zog mich wieder auf die Füße. »Versteckt euch. Er kann unten nicht raus. Er kommt zurück.«
    Richard, der Feigling, zerrte mich zu den Umkleideräumen.
    »Er kann doch einen der Notausgänge nehmen«, protestier te ich.
    Aber Richard war momentan stärker. Mein Erfolg beschränkte sich auf die Tür mit dem Piktogramm für Männer. »Da nicht«, sagte ich. Wenn wir schon Räuber und Gendarm spielten, dann richtig. Kulturelle Hemmungen saßen tief. Christoph würde zuerst bei den Männern reinschauen. Ich schubste Richard in die Umkleide der Frauen.
    »Als Verteidiger«, sagte ich, »bist du übrigens eine Niete. Das war eben eine schwache Vorstellung.«
    Richard legte den Finger auf die Lippen und drückte mich auf die Bank an der Wand. Ich dachte, man müsse mein Rückgrat knirschen hören, aber wahrscheinlich war es nur mein Kehlkopf.
    Richard saß Schulter an Schulter mit mir, die Hände zwischen den Knien gefaltet, und starrte an die Kleiderhaken gegenüber.
    »Was habt ihr mit Christoph vor?«, wisperte ich.
    »Scht!«
    »Er wollte mir nichts tun«, hauchte ich. »Er wollte nur, dass ich gegen dich aussage. Und mit Verlaub –«
    »Halt den Mund, Lisa! Wenn Christoph auch nur einen Schuss abgibt, ist er als Polizist erledigt.«
    »Ist es das, was du willst? Christoph erledigen? Waldemar und Katrin sollen ihn zum Schihai zwingen, zum Kampf mit letztem Einsatz aller Mittel. Aber er will nur einen Mord aufklären. Auch wenn der Tote ein Arschloch war.«
    Richard hob den Kopf und lauschte.
    In der Tat, man hörte Schritte. Es quietschten Sohlen auf den Gummistufen. Veloursboden knisterte, Jeans knackten. Der Idiot kam tatsächlich zurück.
    Ich bekämpfte das Bedürfnis, die Luft anzuhalten. Ein Schweißtropfen klackte auf meine Hose. Niesreiz zog auf.
    Eine Klinke quietschte, ein Türrahmen knarrte, eine Tür knallte gegen die Wand. Christoph stand nebenan im Umkleideraum der Herren.
    »Verdammt, wo seid ihr? Welcher Idiot hat denn unten abgeschlossen?«
    Richard stand auf und lehnte sich gegen unsere Tür. Ich hatte plötzlich die Vision von Schüssen, die Holz durchschlugen und Fleisch zerfetzten. Wo steckte Waldemar nur? Oder war er sich zu schade, den Gegner von hinten anzugreifen?
    »Was soll das hier?«, brüllte Christoph direkt vor unserer Tür.
    Jemand lachte leise: Waldemar.
    »Verdammt, wo seid ihr?« Christophs Stimme kam jetzt von den Dojos her. Es gab ein Geraschel, dann einen Bums, dann war Stille.
    Richard wankte zur Bank zurück und sank neben mich. »Verdammt«, stöhnte er plötzlich. »Es sind meine Fingerabdrücke auf der Drückbank. Es müssen meine sein. Es gibt keine andere Möglichkeit.« Er blickte mich an. »Lisa, ich kann doch keine Leichen sehen. Ich kippe sofort um. Und als ich Schiller so da liegen sah, mit der Stange quer im Hals, da muss ich mich an der Haltegabel festgehalten haben. Und dann …«
    Er fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht und hängte seinen Blick an den Kleiderhaken gegenüber auf. »Natürlich hätte ich sofort jemanden rufen müssen, aber … aber dann saß ich viel zu lange im Bistro. Und

Weitere Kostenlose Bücher