Gaisburger Schlachthof
schließlich habe ich nur noch darauf gewartet, dass endlich jemand die Leiche findet.«
»Und wann war das genau?«, fragte ich sanft.
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht auf die Uhr geschaut. Ich weiß es nicht. Du warst gerade mit Gertrud zu Fängele hinuntergegangen, glaube ich. Und ich wollte mir die neue Drückbank ansehen.«
»Also war es so gegen zehn vor halb neun.«
»Ich bin so ein Feigling, glaubst du das? So ein Idiot. Weininger kann gar nicht anders, als mich zu verdächtigen, ich hätte Schiller umgebracht. Aber ich verstehe nicht, warum er damit nicht zu Meisner geht, wenn er Beweise hat, die seinen Verdacht untermauern.«
»Er wird«, sagte ich. »Er wusste nur bis vorhin nicht, dass es deine Fingerabdrücke sind, nicht meine. Und er konnte sein Glück kaum fassen, als ich es ihm sagte.«
Ich war auch nicht gerade eine Heldin gewesen, als ich Richard bei Christoph anschwärzte. Aber Richard war viel zu sehr mit seiner eigenen unrühmlichen Rolle beschäftigt, um ein Ohr für meine Heldentaten zu haben.
»Na gut«, seufzte der Oberstaatsanwalt an meiner Seite, »dann werde ich jetzt wohl Weininger auf die Wache begleiten müssen.« Er stand auf, zupfte die Ärmel über die Manschetten und rückte seine Krawatte zurecht.
»No net hudle«, sagte ich im Oma-Scheible-Ton. »Christoph hat momentan andere Sorgen, als dich festzunehmen. Zum Glück hat er bislang noch keinen Schuss abgefeuert. Könntest du mir bitte …«
Erst jetzt bemerkte Richard, dass er mir auf die Beine helfen musste. Wir verließen die Umkleide.
Waldemar stand an der Tür zum Dojo. Katrin stand hinter ihm. »Dem geht der Arsch auf Grundeis«, bemerkte sie vergnügt.
Christoph hatte sich, soviel ich erspicken konnte, in die hinterste Ecke des Trainingsraums verzogen, die Waffe in der Hand. Zwar saß er selbst in der Falle, aber er konnte auch jeden abknallen, der die Nase zur Tür hineinsteckte.
Ich setzte mich in Bewegung. Richard hielt mich am Handgelenk zurück. »Ich gehe.«
»Hör auf, dich wie ein Mann aufzuführen!«, fauchte ich.
Er ließ schlagartig los.
Ich streifte die Schuhe ab und betrat die Matte. Für Christoph war ich keine ernsthafte Gegnerin.
»Wir machen Feierabend«, sagte ich. »Und du?«
Er hockte wie eine geschockte Katze mit gesträubtem Fell in der Ecke. Das war auch nicht der Mörder Schillers. Das war ein übereifriger Polizist, der sich in eine Idee verrannt und ins Abseits manövriert hatte, nicht besser oder schlechter als Richard, der durch seine schlüpfrige Vergangenheit und seine Leichenphobie torkelte, oder Katrin, die mit angeknackstem Ego aus einer Horrorehe herausschlingerte, oder Waldemar, der sich, ohne jede Aussicht auf Erfüllung seiner Liebe, für Katrin hätte erschießen lassen. Was für ein Haufen!
Es gab nur eine einzige Möglichkeit, jegliche Aggression zu beenden, die im Lauf unseres Randoris entstanden sein mochte.
Ich kniete ab.
Christophs Blick war kieselsteinmüde.
Hinter mir traten auf Socken auch Waldemar und Katrin auf die Matte. Nur Richard blieb in der Tür stehen.
Katrin war die Erste, dann kniete auch Waldemar regelrecht neben mir ab. So verharrten wir, die Hände auf die Unterschenkel gelegt, bis Christoph seine Waffe wegsteckte.
28
Der Geruch von gebratenem Speck und Zwiebeln strich in mein Schlafzimmer, und meine Matratze spielte Nagelbett. Wir waren auf dem Parkplatz fast wortlos auseinandergegangen. Christoph war zuerst davongefahren. »Ich fahre Lisa schnell heim«, hatte Richard verkündet. Darauf hatte Katrin mit einem halben Entlarvungslächeln von ihm Abschied genommen, nicht nur für den Moment, sondern innerlich für ewig, und war mit Waldemar zu ihrem Wagen gezogen.
Wahrscheinlich war es doch Waldemar gewesen, der Fritz gemeuchelt hatte. Allerdings hätte Richard ihn dann sehen müssen, kurz bevor er selbst zu den Langhanteln einbog. Es sei denn, Waldemar hatte die Nottreppe außen am Gebäude genommen, um von oben nach unten und wieder zurück zu gelangen. Aber dazu hätte er einen Schlüssel gebraucht, womöglich sogar den Hauptschlüssel.
Die vier Aspirin kapitulierten vor der Krake in meiner Lende. Ich stand auf.
Richard schob gerade Tomatenwürfel mit dem Messer vom Brettchen in die Pfanne auf den Speck und die Zwiebeln und würzte mit Pfeffer. Er testete die Reife der Spaghetti mit dem Messerrücken am Topfrand. Dann kam er in den Salon und legte Besteck auf den Tisch. Er hatte das Jackett abgelegt und die Hemdsärmel
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