GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
in aller Ruhe das Frühstück. Kurze Zeit später trat meine Familie in die gute Stube.
Mein Vater umarmte mich und lächelte vielsagend. Mutter hatte mit ihm gesprochen, und er wollte mir mit dieser Geste zeigen, dass er Bescheid wusste.
„Guten Morgen, kleine Isma." Brasne grinste mich an.
„Du siehst ja richtig erholt aus. Hast du endlich mal durchgeschlafen?"
Ich nickte. „Ja, und ich fühle mich wirklich besser."
„Gut so, du sahst nämlich schrecklich aus in den letzten Tagen. Es freut mich, dich wieder ausgeruht zu sehen."
Auch Aaron, die Zwillinge und Casper wünschten mir einen Guten Morgen, bevor sie sich auf das Essen stürzten. Nach dem Frühstück verlief alles wie gewohnt. Sie zogen sich warm an, denn draußen war es morgens schon recht kühl.
Schweigend halfen Casper und ich meiner Mutter noch in der Küche. Ich beobachtete Casper und fragte mich, worüber er grübelte. Manchmal schien es, dass er in seiner eigenen kleinen Welt lebte.
Als wir fertig waren, nahm auch ich meinen Mantel und wanderte in den Stall, um meiner täglichen Arbeit nachzugehen. Heute sollte Aaron meinem Vater und den Zwillingen helfen, deswegen war ich alleine im Stall. Ich beeilte mich, die Kühe zu melken, die Tiere zu füttern und die frischen Eier zu holen. Die Milch und die Eier brachte ich ins Haus. Anschließend schleppte ich Strohballen vom Karren in den Stall. Diese Arbeit war eher für kräftige Männer, aber Aaron war nicht da, deswegen machte ich mich selber daran. Ich hatte keine Angst vor schwerer Arbeit. Wie oft musste ich hören, dies sei nichts für Frauen, aber das spornte mich nur noch mehr an. Ich konnte anpacken, das hatte ich gelernt. Irgendwann machten die Jungs Bemerkungen, dass an mir ein Junge verloren gegangen sei.
Na und!
Ich war schließlich mit sechs Brüdern aufgewachsen. Leider hatte ich nicht oft die Gelegenheit, meine weibliche Seite zu zeigen. Es gab jährlich zwei Dorffeste, die wir gemeinsam aufsuchten. Ich sah aber keinen Grund, hübsche Kleider anzuziehen oder mich aufzutakeln. Warum auch? Die jungen Männer schauten fast nie zu mir herüber, aus Angst, dass meine Brüder es bemerkten. Zwischendurch erhaschte ich Blicke einiger junger Männer, die aber sofort wegschauten, wenn ich es bemerkte. Immer wieder stellte ich mir die Frage, ob ich überhaupt attraktiv war? Klar, meine Eltern, wie auch meine Brüder machten mir oft Komplimente, aber das zählte nicht wirklich.
Narissa hatte bildschön in ihrem kostbaren, eleganten Kleid ausgesehen. Ihre Schönheit und ihr Kleid ließen mich neidvoll schwärmen. Es gab keine vergleichbare Frau wie sie. Die Schönste aller Schönen. Und was war ich dagegen? Ein hässliches Entlein. Ich hatte keine Chance, ihr einen Mann auszuspannen, so sehr ich mich auch anstrengen würde.
Vergiss es, redete ich mir ein. Trotzdem wurmte es mich, dass ich Jeremia abschreiben sollte. Ein tiefer Seufzer kam aus meinem Mund. Dieser starke Krieger, dieser anbetungswürdige Ehrenmann, Sohn eines Herrschers, reich und berühmt. Er war so stattlich, männlich, verwegen, gutaussehend, prächtig und attraktiv. Eine kleine nichtssagende graue Maus, wie ich eine war, würde er auf jeden Fall übersehen. Und doch gefiel mir die Vorstellung, dass ich an seiner Seite schritt. Ich mit meiner armseligen saloppen Kleidung und er mit seiner eindrucksvollen eleganten schwarzen Uniform. Wie grotesk! Ich sah sein Gesicht, seine makellose Schönheit und dann sah ich mich. Nein, es war unmöglich, dass er sich je für mich interessieren könnte.
Außerdem war er vergeben. Ich durfte nicht darüber nachdenken. Was für einen Sinn hatte es eigentlich, dass ich in meinen Träumen zu ihm geführt worden war? Wollten die Götter mir einen Streich spielen oder gab es noch eine höhere Aufgabe, als sich zu verlieben?
Trotz dieses Widerspruchs sehnte sich mein ganzer Körper, diesen Mann zu berühren und zu küssen. Ich war ihm verfallen. Ich begehrte ihn so sehr, dass es schmerzte, als würde meine Seele ihm gehören und ich wäre nur noch eine leere Hülle.
Erschöpft durch das Tragen der Strohballen, setzte ich mich einen Moment auf das ausgebreitete Stroh. Es pikste auf meiner Haut. Trotz allem machte ich es mir so bequem wie möglich.
Ich legte mich hin, verschränkte die Arme hinter meinem Kopf und wollte einfach nur nachdenken. Ich, eine Seelenwanderin!
Das veränderte alles. Dank meines Großvaters hatte ich nicht nur Schreiben und Lesen gelernt, sondern auch ein
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