GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
würde. Als ich genug Informationen hatte, hauchte ich ihm einen Kuss auf die Wange und durchquerte die Empfangshalle, wo es etwas ruhiger war, damit ich mich darauf konzentrieren konnte, wieder aufzuwachen. Während ich durch den Saal geisterte, fühlte ich mich plötzlich auf eine sonderbare Weise beobachtet. Abrupt blieb ich stehen und schaute mich um. Das Gefühl nahm zu, und mein Blick flog verwirrend über die Menschenmenge. An der
Eingangstür stand ein junger Mann und starrte zu mir herüber. Sein Blick durchbohrte mich und traf mich wie ein Blitz. Das konnte einfach nicht sein. Mich konnte keiner sehen. Ich bewegte mich langsam ein wenig nach links und dann nach rechts. Seine Augen folgten mir.
Dann traf mich der Schlag.
Das war ein Seelenwanderer. War das möglich?
Ich hatte geglaubt, diese Gabe würde nur an Frauen weitergegeben.
Unwillkürlich schaute ich weiter zu ihm rüber, hob meine Hand und winkte ihm zu, um seine Reaktion zu testen. Er stand bewegungslos da und schaute mich genauso beängstigt an wie ich ihn. Er schien auch erst jetzt zu begreifen, dass ich eine Seelenwanderin bin. Erschrocken drehte er sich um und rannte hinaus. Ich lief hinterher, weil ich mit ihm sprechen wollte, aber ich sah ihn nicht mehr. Eine ganze Weile suchte ich noch nach ihm, aber er blieb verschwunden. In meinem Kopf kreisten tausend Fragen, und eigentlich wusste ich längst die Antwort. Er war ein Seelenwanderer, der uns ausspionierte. Ein Diener Netans vielleicht? Dann wusste Netan, dass es mich gab. Angst stieg in mir auf.
Die Panik, die mich jetzt ergriff, holte mich in meinen Körper zurück. Ich lag wieder in meinem Bett. Was sollte ich jetzt tun? Ich musste so schnell wie möglich Jeremia sprechen. Draußen war es noch finstere Nacht und an Schlafen war nicht mehr zu denken. Meine Gedanken fanden keine Ruhe. Ich musste schnell handeln, aber ich sollte die Nacht abwarten. Ich sprang aus meinem Bett, zog mich an, setzte mich auf einen Stuhl ans Fenster und wartete auf den Sonnenaufgang. Nur die Götter konnten mir jetzt noch helfen.
Das durfte nicht sein! Jason fand sich in seinem Körper wieder. Wer war dieses Mädchen, und warum konnte sie ihn sehen? Er fuhr aus seinem Bett hoch. Sein Herz schlug mit voller Wucht gegen seine Rippen, und das Zittern seines Körpers wollte nicht aufhören. Er fühlte sich ertappt. Dieses Gefühl er-innerte ihn daran, wie er als kleines Kind erwischt wurde, als er Süßigkeiten im Laden seines Onkels stehlen wollte. Nur dass es jetzt viel stärker war. Es war so falsch, was er tat, aber er war gezwungen zu spionieren.
Er dachte zurück, wie er hier hergekommen war. Noch vor zwei Tagen hatte er mit seinen Eltern und seinen Schwestern Elena und Julien am Frühstückstisch gesessen. Sie unterhielten sich und waren einfach nur glücklich zusammen.
Vor achtzehn Jahren wurde Jason als Sohn eines Gelehrten und einer Hebamme in einer kleinen Stadt in dem Territorium Trianda geboren. Er besuchte die Schule und war dann vor zwei Jahren in die Lehre eines Schreibers gegangen. Seit er denken konnte, liebte er das Schreiben und seitdem hatte er nichts anderes getan, als kleine Geschichten zu erfinden und sie niederzuschreiben. Nichts erfüllte ihn mehr.
Als sie nun am Frühstückstisch saßen, vernahmen sie plötzlich von draußen Schreie. Sie liefen zum Fenster und versuchten zu sehen, was gerade geschah. Plötzlich wurde die Haustür aufgerissen und Ungeheuer, riesige Kreaturen mit hässlich monsterhaften Fratzen, Reißzähnen und glühend roten Augen kamen in das Haus gestürmt. Im ersten Augenblick erstarrten sie alle. Seine Mutter suchte seine Schwestern, um zu fliehen, aber die kleine Elena wurde von einem der Ungeheuer an den Haaren gepackt. Mit aller Kraft zerrte es die Mutter und die andere Schwester an den Haaren und warf sie brutal zu Boden. Dann packte das Ungeheuer Julien und schleuderte sie auch in die Ecke. Der Vater wurde von zwei anderen Monstern festgehalten. Weitere vier Bestien kamen ins Haus. Alles geschah so schnell. Jason wurde in die Ecke gedrängt und musste hilflos mit ansehen, wie seine weinenden Schwestern sich in den Armen haltend zu Boden sackten. Mutter stand schützend vor ihnen und ein Monstrum von Krieger kam auf sie zu. Er packte sie und rieb seinen pelzigen Körper an ihr. Blanke Wut überkam Jason. Er hörte jemanden verzweifelt schreien, bis ihm klar wurde, dass das seine eigene Stimme war. Vater war schon aus dem Haus gezerrt worden. Mutter schaute
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