GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
leise die Tür und war froh, dass Elena und Julien noch schliefen. In einem kleinen Spiegel, der gleich neben dem Bett an der Wand hing, betrachtete er seinen anschwellenden Kopf ausgiebig. Fünf tiefe Risse zogen sich über seine Gesichtshälfte. Sie waren so tief, dass Narben zurückbleiben würden. Mit einem feuchten Lappen wusch er sich vorsichtig das Blut ab. Da er keine saubere Kleidung zum Wechseln besaß, zog er das blutdurchtränkte Hemd aus und wusch es. Er schrubbte frustriert mit viel Seife den Stoff, und bemerkte nicht, dass der schon riss.
„Was tust du da?", schreckte Julien ihn von hinter auf.
Jason zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen.
Ängstlich näherte sie sich ihrem Bruder. Jason wandte sich ihr zu und als sie sein Gesicht sah, stockte ihr der Atem. „Was hat er dir angetan?" Ihre Augen weiteten sich vor Schreck. „Er hat dein schönes Gesicht verschandelt. Wie konnte er nur so etwas tun?"
„Beruhige dich. Es ist nicht so schlimm wie es aussieht", versuchte Jason sie zu besänftigen.
„Doch, das ist es." Weinend brach sie auf dem Fußboden zusammen. Jason beugte sich zu ihr herunter.
„Bitte, beruhige dich. Elena wird sonst wach. Möchtest du, dass sie noch mehr Angst bekommt, als sie ohnehin schon hat? Das glaube ich nicht. Komm, beruhige dich. Wir müssen jetzt beide stark sein. Wir werden das überstehen. Du musst nur fest daran glauben." Dabei strich er ihr sanft über ihre schwarzen, langen Haare.
Julien wollte sich nicht beruhigen. Mit einem heftigen Schüttelfrost lag sie in seinen Armen. „Aber dein Gesicht!", kam stockend aus ihrem Mund.
„Ist nicht so schlimm. Das wird heilen und dann wird man nichts mehr sehen können."
Julien wusste, dass es nicht stimmte, genauso wie Jason es wusste. Sie hielten sich noch lange umklammert, bis sich Julien beruhigte.
Es wurde Zeit aufzubrechen. Ich hatte den ganzen Vormittag in meinem Zimmer verbracht, bis ich es nicht mehr aushielt. Im Wohnbereich fand ich meine Eltern, die mit Tante Lana plauderten. Ich lauschte ihrer Unterhaltung. Sie wollten morgen schon aufbrechen. Kanas war für sie nicht mehr sicher. Und sie wussten, dass Netan mich dort zuerst suchen würde, da der andere Seelenwanderer mich bei Jeremia gesehen hatte.
Das stimmte mich traurig. Mir blieb nur noch ein Tag, um mit Jeremia zu reden. Meine Eltern wollten so schnell wie möglich mit mir abreisen.
Irgendwann stand Tante Lana auf, um für ihre Flucht eine Reisetasche zu packen. Sie wollte auf den morgigen Tag vorbereitet sein, in aller Ruhe überlegen, was sie mitnehmen sollte und was sie hier lassen musste. Denn niemand wusste, wie es in Kanas aussehen würde, wenn sie zurückkam.
Ich blieb noch eine Weile sitzen, bis mir Vater erklärte, dass er für mich ein Pferd satteln würde, damit ich in die Stadt reiten konnte. Ihm dankend holte ich meinen Mantel und trat aus dem Haus. Eine Weile später führte Vater das Pferd zu mir und reichte mir die Zügel. „Ich wünsche dir viel Glück, mein Schatz."
„Danke Papa. Ich hoffe, es wird alles gut. Macht euch um mich keine Sorgen."
„Wir werden uns immer Sorgen machen. Das machen nun mal Eltern." Er lächelte mich an.
Ich brachte ein schwaches Lächeln zustande und drückte ihn zum Abschied. Er half mir aufs Pferd und winkte mir noch lange nach.
Die Luft war klirrend kühl. Der Herbst hatte sich schon angekündigt. Die Blätter veränderten ihre Farben und einige schwebten langsam tänzelnd der Erde entgegen. Während ich in die Stadt ritt, betrachtete ich die bunte Landschaft. Kanas war ein schönes Fleckchen Erde. Hügel und wunderschöne Wiesen erstreckten sich bis zum Gebirge.
Ich kam an kleinen plätschernden Bächen vorbei, an denen ich als Kind mit meinen Brüdern oft gespielt hatte, wenn wir zu Besuch waren. Die Erinnerungen entlockten mir ein Schmunzeln. Ich betete, dass wir irgendwann wieder so unbeschwert und glücklich sein könnten wie damals. Dann sah ich die Stadtmauern. Ich musste zum Marktplatz, der als Trainingsplatz diente.
In der Stadt angekommen, stieg ich vom Pferd und ging zu Fuß weiter. Mit den Zügeln in der Hand schlenderte ich durch die Gassen, bis lauter Kampflärm an meine Ohren drang, der vom Marktplatz kam. Hunderte von Männern trainierten dort eifrig den Umgang mit dem Speer, dem Schwert, sowie mit Pfeil und Bogen, aber auch den Ringkampf.
In der Menge erkannte ich sofort Jeremia. Er schritt durch die Reihen und zeigte einigen Rekruten, den Bogen richtig zu halten oder wie
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