GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
schwebte über unserem Haus. Ja, schwerelos und frei wie ein Vogel am Himmel. Verblüfft darüber, wie gut ich mich hier oben fühlte, so ohne Schwindelgefühl, sondern eher berauscht, bewegte ich instinktiv meine Arme rauf und runter. Ich konnte von oben die Fichtenspitzen und den ganzen Wald sehen. Normalerweise befand ich mich immer sofort bei der Person, die ich sehen wollte, aber nun war ich hier - in atemberaubender Höhe, mit schönstem Weitblick. Tief sog ich die frische, kühle Luft in mich ein, so dass der Sauerstoff meine Seele durchströmte und mir übernatürliche Kraft verlieh.
Plötzlich, ohne mein Zutun, setzte sich meine Seele zielsicher in Bewegung, als würde mich jemand leiten. Ich flog über unser Land hinweg, sah Aaron, Brasne und meinen Vater auf dem Feld arbeiten. Dann überflog ich Salin, wo ich vereinzelt ein paar Einwohner erblickte. Meine Seele flog immer weiter, bis vor mir ein Portal auftauchte. Ich schwebte geradewegs darauf zu. Oh Himmel, ich bekam es mit der Angst zu tun, denn ich war noch nie durch ein Portal gegangen. Ich fragte mich, ob ich auch durch die Portale hindurch fahren konnte, wie ich es bei den Menschen tat. Was erwartete mich jetzt hinter diesen Toren? Ich hielt schützend meine Hände vor meinen Kopf, denn ich befürchtete, dass ich mit den Toren kollidierte. Ungewollt flog ich schneller und hielt unbewusst die Luft an. Ich schloss meine Augen, erwartete den Aufprall, doch nichts geschah. Die Lider wieder öffnend sah ich, wie ich direkt durch das Portal hindurch glitt. Ein Meer aus Dunkelheit und Finsternis umhüllte mich. Meine Augen mussten sich erst an die Schwärze gewöhnen, bis ich unter mir eine schmale Holzbrücke, die leicht beleuchtet wurde, erblickte. Sie verband zwei Portale. Doch das Ausgangstor war in der Dunkelheit nicht zu erkennen. Beeindruckend! Erschreckend! Was war das hier? Was lag unter der Brücke und warum hatte ich das Gefühl, dass ich hier nicht alleine war? Ein leichter Schauer durchfuhr meine Seele. Ich wollte schnell weiter. Irgendetwas Tückisches versuchte mich noch schneller von hier fortzubewegen. Ein eiskalter Wind peitsche mir auf einmal ins Gesicht und fuhr durch mich hindurch, wie ich es bei den Menschen in meinen Wanderungen tat. Oh, Götter, steht mir bei! Was war das? Erschrocken sah ich mich um, konnte aber nichts sehen. Es war ein furchtbares Gefühl, dass mich noch mehr erschaudern ließ. Endlich sah ich das zweite Portal, durchflog es und war wieder im Freien. Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Auch hier erstrahlte der Wald in herbstlichen Tönen, in abwechslungsreichen, warmen Brauntönen. Der Himmel leuchtete blau. Keine Wolke trübte diesen herrlichen Herbsttag. Auch wenn ich körperlich noch nie hier gewesen war, wusste ich sofort, wo ich mich befand. Dies war das Territorium Cavalan, wo Jahred Nahal herrschte, Jeremias Vater. Warum war ich ausgerechnet hier gelandet? Ich überflog Felder, Wald und Hügel. Die Vogelperspektive ließ mich vor Begeisterung staunen. Das musste ich unbedingt Aaron erzählen, er würde mir das nie glauben. Zwischendurch sah ich Dörfer und einige Bewohner. Dann erreichte ich einen riesigen Wald; schnell stoppte meine Seele und glitt nach unten.
Was ich nun sehen würde, sollte ich nie wieder vergessen.
Geräusche und Stimmen lockten mich an. Durch die dichten Bäume bewegte sich schnell etwas auf mich zu. Ich konnte zunächst nicht genau erkennen, wer oder was es war, aber mir graute davor. Wie aus dem Nichts stürmten Netans Kriegerhorden auf mich zu. Massenhafte dunkelrote Augen und spitze Reißzähne ließen mich zusammenzucken. Flecken aus schaumigem Speichel sprenkelten ihre Lippen. Sie sahen aus wie wütende Tiere. Ihre Behaarung verlief über das ganze Gesicht bis zu den Füßen. Etwas Furchterregendes hatte ich zuvor noch nie gesehen. Gegen diese Bestien sollten meine Brüder und Jere-mia kämpfen? Ich war fassungslos.
Diese übermächtigen, monsterhaften Feinde würden jeden in Stücke reißen, der sich ihnen in den Weg stellte. Allein bei der Vorstellung verkrampfte sich schon mein Magen. Viel schlimmer war aber die Erkenntnis, dass ich jetzt wusste, warum sie hier waren und wohin sie wollten. Sie marschierten schnellen Schrittes an mir vorbei. Ich drehte mich um und flog hinterher. Zwei von ihnen unterhielten sich. Ich beeilte mich, Schritt zu halten, um ihre Unterhaltung zu hören.
„Gleich wird es dunkel und wir haben Hunger. Wir müssen ein Lager aufschlagen und ruhen.
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