GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
überkamen mich, denn Netan war das pure Böse. Er hasste alle Menschen und stellte sich vor, wie er sie zerfleischen und vernichten wird. So viel Hass und Grausamkeit hatte ich noch nie zuvor gefühlt. Es machte mir so krank, trotzdem verschärften sich meine Sinne. Da war noch etwas. Es fühlte sich an, als wären seine Seele und die meine nicht allein in seinem Körper. Das war unmöglich.
Er wollte Jason bestrafen, ihn verletzen. Das durfte ich nicht zulassen. Ich konzentrierte mich mit all meiner Kraft, ihm den Gedanken zu übermitteln, dass er es nicht tun soll. Langsam ließ er seine Pranke sinken, und ich floh so schnell wie möglich aus diesem Körper. Der letzte Blick auf seine Gedanken verriet mir, was er vorhatte, Verson zu töten. Ich stand wieder neben Jason, fühlte mich schwach und konnte nicht mehr lange verweilen. Die Grausamkeit und das Böse, was ich gespürt hatte, kratzten an meiner weichen Seele.
Jason hob den Kopf und sah den wütenden Blick von Netan. Eigentlich war er sich sicher gewesen, dass Netan ihn hatte schlagen wollen, umso mehr wunderte er sich, dass er es nicht getan hatte.
„Du hast Glück. Ich würde dich am liebsten in der Luft zerreißen und dein Herz verspeisen, aber ich habe es mir anders überlegt. Du bist so dumm, du weißt gar nicht, was wichtig für mich ist. Du kannst gehen! Verschwinde aus meinem Blickfeld, sonst werde ich es mir vielleicht noch anders überlegen!“
Jason drehte sich abrupt um und rannte aus dem Saal. Ich blieb stehen. Was hatte Netan vor? Minutenlang verharrte er in der gleichen Position, bis er durch den ganzen Saal schrie. Seine Wut ging mir durch Mark und Bein. Sofort kam ein Bediensteter hereingestürmt. „Herr, Ihr habt gerufen?“, fragte der kleine, hässliche Capitaner mit kläglichem Tonfall.
„Schick mir meine Master rein, alle die noch hier sind! Wenn sie schlafen sollten, wecke sie sofort auf und sag ihnen, ich will sie in wenigen Minuten hier haben! Geh, ich habe einiges zu besprechen!“, befahl Netan herrschsüchtig.
Der Diener stürmte nervös hinaus. Netan ließ sich auf seinen Thron plumpsen, stützte den Kopf auf seinen Arm, der wiederum auf der Lehne ruhte. Was hatte er vor? Ich konnte nicht anders, als zu verharren. Wie gelähmt war ich, von dem, was ich gerade erfahren hatte. Jeremia würde in wenigen Tagen Narissa heiraten. Ich hatte die ganze Zeit gewusst, dass es passieren konnte, aber ich hatte immer die Hoffnung gehegt, dass es nicht eintrat, da Jeremia einen anderen Weg finden wollte, um mit mir zusammen zu sein. Nun schwand meine Hoffnung ganz, dass wir jemals zusammenkämen. Der Krieg war grausam und gemein. Dabei liebte ich ihn und wollte ihm nicht im Weg stehen. Mein Verlangen nach ihm wurde dennoch immer größer. Was machte Jeremia gerade? War er bei Narissa? Waren sie sich nahe, und hatten sie sich bereits geküsst? Nein, ich musste aufhören, daran zu denken.
Die Tür des Saales flog auf und fünf stolze und kräftig gebaute Capitaner in ihren eleganten Uniformen kamen herein. Sie blieben vor dem Thron stehen und verbeugten sich ehrerbietig.
„Herr, was können wir für Euch tun?“, fragte einer von ihnen.
Netan hob den Kopf und starrte sie an. „Nehmt eure Truppen und geht nach Caska! Lasst keinen am Leben! Stürmt den Palast und bringt mir den Kopf von Verson! Tötet den alten Bastard! Er ist ein Verräter, er soll dafür bezahlen. Bringt mir Jeremia lebend! Er befindet sich zurzeit in Caska. Noch heute Nacht zieht ihr los. Ich weiß, dass die Brücken und die Portale noch nicht ausreichend geschützt sind. Nutzt euren Vorteil und versteckt euch vor den Mauern von Caska! Jeremia wird morgen seine Männer an den Portalen verteilen. Habt ihr verstanden? Danach wird Nalada einen neuen Herrscher haben, und das werde ich sein.“ Seine dunkelroten Augen glühten vor Wut und Willensstärke.
Die Männer rückten ab, und ich blieb geschockt zurück.
Nur schnell weg von hier!
Ich fuhr erschrocken auf und befand mich wieder in meinem Zimmer, sprang aus meinem Bett und rannte nach unten. Wissend, dass Jason nicht nach mir schauen würde, nutzte ich den Augenblick, um meiner Familie mitzuteilen, was Netan vorhatte. Im ganzen Haus brannte keine einzige Kerze und es war stockduster, deshalb stolperte ich sehr ungeschickt die Treppen hinunter, stieß mein Knie am Geländer. Mit einem lauten wehleidigen „Autsch" polterte ich geradewegs in das Zimmer meiner Eltern, die entrüstet in ihrem Bett hochschreckten.
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