GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
könnte schon morgen unsere ganze Familie ausgelöscht haben."
Alle schwiegen betroffen.
Aaron stand mit offenem Mund da, so als ob er nichts begreifen würde. Keiner erwartete wirklich, dass das Unglück uns so schnell ereilen könnte.
Papa löste sich als erstes aus der Erstarrung und konterte mit fester Stimme: „Wir werden es schaffen und auch alle überleben. Ich werde nicht aufhören, daran zu glauben. Und das werdet ihr verdammt noch Mal auch nicht. Habt ihr mich verstanden? Wir geben nicht auf!"
„Ja, wir werden es schaffen. Wir werden alles Mögliche tun, um zu überleben", warf Aaron voller Optimismus ein.
Langsam gaben sie mir die Sicherheit zurück. Ich durfte einfach die Hoffnung nicht verlieren. „Was sollen wir also tun?" Ich zuckte mit den Schultern.
Meine Mutter stand mit erhobenem Kopf und antwortete selbstsicher: „Wir werden weiter machen wie geplant. Wir gehen in den Wald, wo uns die Capitaner weder suchen noch finden werden. Du seelenwanderst zu deinen Brüdern, denn so wissen wir, ob es ihnen gut geht. Wenn die Bestien aus Salin weg sind, wird deine Hütte im Wald fertig gebaut sein. Wir werden zurück nach Hause gehen und den Schein wahren. Calena wird einen Brief an deine Brüder schicken, der ihnen unsere Lage erklärt. Wenn die Götter mit uns sind, werden deine Brüder gesund und am Leben bleiben. Da wir jetzt alle wach sind, ziehen wir uns an und siedeln in den Wald um."
Kopfnickend stimmten wir zu, und ich war nun auch mehr als bereit. Ich wollte nicht mehr alleine und untätig auf meinem Zimmer hocken und etwas tun, damit ich nicht denken musste. Von Jason ging zurzeit keine Gefahr der Spionage aus, davon war ich felsenfest überzeugt, also die beste Zeit, zu handeln. Ich holte mein Tagebuch und packte es mit in den Rucksack.
Kurze Zeit später saßen wir alle am Tisch und tranken einen heißen und starken Kaffee, um uns für die Flucht zu wappnen.
Als das Koffein unsere Blutbahnen erreicht hatte und wir endlich hellwach vor die Haustür traten, erwischte uns der eiskalt pfeifende Nachtwind unvorbereitet. Ein Frösteln durchfuhr unsere Glieder und uns wurde schmerzlich bewusst, dass es im
Wald untern blauen Himmelszelt hart werden würde. Wir umrundeten das Haus und stapften über die hintere Wiese, die schon mit einer weißen Frostschicht überzogen war. Ein Nebelschleier lag über der Landschaft und die ersten schwachen Sonnenstrahlen durchbrachen die kalte Luft.
Wir marschierten eiligen Schrittes zum Waldrand, bis ich abrupt stehen blieb. So nah war ich noch nie dem gespenstischen Schleierwald gekommen. Die fast kahlen Laubbäume und die großen Tannen streckten sich dunkel und geheimnisvoll in den Himmel. Das Unterholz war so dicht bewachsen, selbst eine ganze Armee hätte dort Zuflucht gefunden ohne gesehen zu werden. Die kräftigen, stämmigen Äste der Bäume ragten von allen Seiten, als ob sie mich mit offenen Armen empfangen würden und mich herzlich begrüßten.
Da war es wieder. Die Stimme. Flüsternd, fast lautlos liebkoste sie mit einem süßen Klang meinen Verstand. „Komm zu uns."
„Habt ihr das auch gehört?", erkundigte ich mich kleinlaut bei meiner Familie.
Aaron, der neben mir stand, schaute mich nur fragend an. „Was sollen wir gehört haben?"
„Die Stimme. Jemand sagte mir, ich soll in den Wald gehen." Meine Augen waren vor Angst weit aufgerissen und ich deutete auf das Dickicht. Meine Familie schaute mich besorgt an.
„Isma, du hast große Angst und das wissen wir, aber da ist keine Stimme. Du bildest dir das alles nur ein", versuchte mein Vater mich zu beruhigen.
Ich hatte es aber ganz deutlich gehört, das wusste ich. Ich wollte es ihnen noch einmal erklären, aber ließ es dann doch. Mein Verstand spielte verrückt.
„Ist schon gut, lasst uns weitergehen. Ich habe wirklich Angst, deswegen liegt es nah, dass meine Nerven blank liegen, und ich mir die Stimmen nur einbilde."
Aaron blieb direkt neben mir. Leise flüsterte er mir zu: „Du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Wir haben gestern die Zelte im Wald aufgebaut. Der Wald hat nichts Beängstigendes.
Du wirst dich an die Stille hier gewöhnen und davon mal abgesehen, sind wir doch bei dir."
Ich lächelte ihn an. Er tröstete mich und dafür war ich ihm dankbar. Wir gin gen fast eine Stunde durch den Wald, um weit genug entfernt zu sein, damit die Angreifer uns nicht sehen und hören konnten.
Es war beinahe totenstill. Man konnte nur das Knacken der unter unseren Schuhen
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