GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
mit weit aufgerissen Augen an. „Nein, das weiß ich nicht. Kannst du es mir sagen?"
„Natürlich kann ich. Du kommst aus dem Territorium Cavalan. Als ich dich zum ersten Mal sah, habe ich es sofort geahnt."
„Woran willst du das denn gesehen haben? Kommst du von woanders? Ich dachte, wir wären aus dem gleichen Territorium."
„Nein, wir sind uns fast gleich, aber du kommst aus Cavalan. Dort haben die Menschen spitze Ohren, so wie du."
Syria tastete ihre Ohrmuschelspitzen mit ihrem Fingern ab und schaute dann auf seine.
„Und woher stammt ihr?", fragte sie und zeigte auch auf seine Schwestern.
„Wir kommen aus Trianda." Jason spürte ein Stechen in seinem Herzen. Der Gedanke an sein Zuhause erinnerte ihn an seine Eltern.
Syria bemerkte seinen melancholischen Blick. Als er ihr endlich in die Augen schaute, fragte sie verunsichert: „Was ist in Trianda passiert?"
Der Schmerz saß noch tief, aber er wollte es ihr erzählen.
„Die Capitaner führen Krieg in ganz Galan. Netan möchte alle Territorien bezwingen und der alleinige Herrscher werden. Die Menschen außerhalb von Capan haben sich gegen ihn verbündet. Nun greifen überall die Capitaner an und zerstören Dörfer, morden wild drauf los. Bei einem Angriff töteten die
Bestien meine Mutter und meinen Vater. Ich bekomme die Bilder nicht mehr aus meinem Kopf. Wir mussten alles mit ansehen; es war schrecklich. - Danach verschleppten sie uns hierher. Nun sind wir Netans Gefangene."
„Das ist ja furchtbar. Verzeih bitte meine Frage, aber warum hat Netan euch am Leben gelassen? Weißt du, warum er euch hier haben wollte?"
Jason schluckte schwer und überlegte kurz, ob sie die ganze Wahrheit über ihn erfahren durfte. Er war sich sicher, dass einige Diener sich die gleiche Frage stellten, trotzdem entschied er, dass er ihr vertrauen wollte.
„Ich bin ein Seelenwanderer." Er schaute ihr tief in die Augen und erkannte sofort ihre Verwunderung.
„Verzeih bitte meine Unwissenheit, aber was ist ein Seelenwanderer?"
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich will es dir in zwei Sätzen erklären. Wenn ich schlafe, dann löst sich meine Seele von meinem Körper und geht auf Wanderschaft. Meine Seele kann sich an Orten oder bei Personen wiederfinden, wenn ich sie mir vor dem Einschlafen vorstelle, bzw. mich darauf konzentriere. Netan benutzt meine Gabe, um seine Feinde auszuspionieren."
„Und die Menschen, die du ausspionierst, bemerken dich nicht, also sie sehen deine Seele nicht?"
„Nein, mit dem bloßen Auge kann keiner meine Seele sehen. Ich bin körperlos auf meinen Seelenwanderungen. Wenn man darüber nachdenkt, dann ist das ganz schön unheimlich, wenn man sich vorstellt, wie eine unscharfe Gestalt vielleicht neben dir steht und zusieht, was du gerade machst oder sagst."
Auf einer Art war Jason erfreut, dass sie ein Interesse an ihm hatte. Er wollte ihr entgegenkommen, damit sie sah, dass auch sie ihm vertrauen konnte.
Sie blieb neugierig. „Woher wusste Netan von deiner Gabe?"
„Wer mich verraten hat, weiß ich nicht, aber es war jemand aus meinem Dorf. Er hoffte wahrscheinlich, dass Netan ihn für diese Information verschonen würde, aber da muss er sich geirrt haben." Wut stieg in Jason auf, er hatte sich bis jetzt keine Gedanken gemacht, wer ihn an Netan auslieferte.
„Und was geschah mit den Bewohnern deines Dorfes?"
Jason schaute sie traurig an. „Sie sind alle tot."
Syria erstarrte. „Du musstest deine Eltern verlieren, wegen deiner Gabe und ... "
Bevor sie weiterreden konnte, unterbrach er sie: „Nein, ich habe meine Eltern verloren, weil Netan sie getötet hat. Ich habe diese Gabe seit meiner Geburt, ich kann nichts dafür. Keiner weiß, warum ich derjenige bin, der sie erhalten hat. Es ist wahrscheinlich eine Laune der Götter oder wohl eher ein Fluch als etwas Gutes. Ich würde diese Gabe sofort abgeben, wenn ich dafür meine Eltern wiederbekommen würde."
Es folgte ein Moment der Stille. Syria schaute Jason bekümmert an und senkte betrübt den Blick.
„Ich kann mich nicht mehr an meine Eltern erinnern, aber trotzdem spüre ich täglich den Verlust. Du musstest mit ansehen, wie sie getötet wurden. Das ist so furchtbar und unvorstellbar. Es tut mir sehr leid."
Sie stand auf und beugte sich zu ihm hinüber, um ihn zu umarmen. Jason war im ersten Moment von ihrer Geste überwältigt. Er hatte nicht mit so viel Herzlichkeit gerechnet.
„Es tut mir so leid", wiederholte sie, und strich ihm sanft über sein Haar.
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