Galaxis Science Fiction Bd. 03
dem Griff in seinem Essen herum. Dann wollte er sie so zum Munde führen.
»Ich würde es einmal mit dem anderen Ende versuchen«, riet ihm Vail, der das Schauspiel interessiert beobachtete. »Es ist schärfer.«
Bertellis Augen senkten sich und betrachteten erstaunt die Gabel. Er machte eine kindlich-hilflose Bewegung. Schließlich bedachte er seine zwei Zuschauer mit seinem bekannten um Verzeihung bittenden Blick und gab gleichzeitig der Gabel mit Daumen und Zeigefinger einen kurzen schnellen Ruck, daß sie mit dem Griff in seiner Hand landete Vail war nichts aufgefallen, aber Kinrade hatte dieses Taschenspielerkunststück bemerkt, und plötzlich hatte er das seltsam unheimliche Gefühl, das Bertelli gerade einen winzig kleinen Fehler begangen hatte, eine Unvorsichtigkeit, die eigentlich niemand hätte sehen sollen.
KINRADE saß in seiner Kabine, als ihn Marsden anrief und sagte: »Aram ist gerade aufgewacht. Seine Kindlade tut ihm weh, aber sonst scheint er sich beruhigt zu haben. Ich glaube nicht, daß er eine neue Spritze braucht.«
»Gut, lassen wir ihn also wieder laufen«, entschied Kinrade. »Eine Zeitlang werden wir Ihn aber noch im Auge behalten müssen. Sag Bertelli, daß er in seiner Nähe bleiben soll. Er hat sowieso nichts Besseres zu tun.«
»Geht in Ordnung.« Marsden schwieg einen Augenblick und fügte dann leiser hinzu: »Vail ist in letzter Zeit auch ziemlich komisch. Hast du es bemerkt?«
»Über ihn brauchen wir uns wohl keine Sorgen zu machen. Er ist nervös, aber das sind wir ja mehr oder weniger alle.«
»Na ja, du magst recht haben.« Kinrade hatte den Eindruck, daß Marsden noch etwas sagen wollte, aber er hörte nichts mehr. Er unterbrach die Verbindung.
Kinrade beendete seine Eintragungen im Logbuch und betrachtete sich kritisch im Spiegel. Eine Rasur konnte noch einen Tag warten, beschloß er dann. Das war nur ein bescheidener Luxus, aber er haßte diese Arbeit, obgleich er wiederum nicht den Mut hatte, sich einen Bart stehen zu lassen.
Er lehnte sich bequemer in seinen Stuhl zurück und genoß ein paar Minuten der Ruhe. Er dachte an den Planeten, der seine Heimat war, an die Männer, die das Schiff hinausgeschickt hatten, und an die Männer, die es bemannten. Sie waren für diese Aufgabe gründlich vorbereitet worden, diese sechs, die als erste Menschen einen anderen Stern erreicht hatten, und ihre Ausbildung umfüllte einen weiten Bereich von Kenntnissen. Die drei Raumleute unter ihnen waren zusätzlich in einem Zweig der Wissenschaften geschult worden. Und die drei Wissenschaftler der Besatzung hatten einen Zusatzkurs in Raumnavigation und Schiffsingenieurwesen absolviert. Zwei Wissensgebiete pro Mann. Er überlegte weiter und schloß Bertelli davon aus. Bertelli gehörte wohl nicht dazu. Bertelli war ein Ausnahmefall.
Ihre Ausbildung hatte aber noch andere Gebiete umfaßt. Ein alter Glatzkopf, Leiter einer Irrenanstalt, hatte mit ihnen das Thema Raumetikette durchgenommen, und zwar so, als wüßte er genau, worüber er spräche. Zugegeben: zwischen einer Irrenanstalt und einem Raumschiff wie diesem hier bestand manchmal auch kein Unterschied. Jeder Mann der Besatzung, so hatte er erklärt, würde über seine Kameraden nur drei Dinge erfahren: Name, Alter und Qualifikation. Darüber hinaus durfte keiner nach näheren Einzelheiten fragen oder sich nach dem Privatleben des andern erkundigen. Gegenüber einem Mann, dessen Leben ein verschlossenes Buch ist, kann man keine Vorurteile bilden, man kann ihn nicht alter Dinge wegen beleidigen. Unbekannte Persönlichkeilen stoßen nicht so leicht zusammen, weil’s es keine Reibungsflächen gibt. Man hatte sich also darauf geeinigt, niemals den anderen nach seinen Gründen für die Fahrt zu fragen und immer seine eigene Neugier in Bezug auf den anderen im Zaum zu hallen.
Aus diesem Grunde wußte Kinrade auch nicht, warum zum Beispiel Vail aufbrausender und Marsden ungeduldiger als die anderen war. Er könnte nicht sagen, warum Nilsen ein gefährlicher Bursche, Aram dagegen ein labiler Charakter war. Er konnte auch nicht von Bertelli verlangen, daß dieser seine Anwesenheit zufriedenstellend erklärte. Bis zur erfolgreichen Beendigung des Fluges würden die Lebensgeschichten der einzelnen hinter einem Vorhang verborgen bleiben, durch den von Zeit zu Zeit nur nichtssagende Einzelheiten durchschimmerten.
Nach fast vier Jahren intimen Zusammenlebens hatte Kinrade seine Kameraden so gründlich kennengelernt wie wohl niemand vorher –
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